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Zum Nachlesen: Dialektwort

Schneider beim Nähen eines Gwands
Schneider beim Nähen eines Gwands. Altbaiern. 1950er Jahre.

Rund 8000 Fotografien, die der frühere Bezirksheimatpfleger Paul Ernst Rattelmüller angefertigt hat, sind im Archiv des Bezirks Oberbayern erhalten und digitalisiert worden. Ein humorvolles Zusammenspiel gehen die Bilder mit Texten von Dr. Norbert Göttler ein. Göttler – bis Februar 2023 ebenfalls als Bezirksheimatpfleger im Amt – nimmt einzelne Dialektwörter ins Visier und fördert dabei viel Lesenswertes zutage. Die Gegenüberstellung seiner Texte mit Rattelmüllers Fotografien diente als Grundlage einer Ausstellung des Bezirks Oberbayern und ist dauerhaft festgehalten in dem Buch „ausgesprochen bayerisch“, das im Allitera Verlag erschien. Viel Freude beim Stöbern und Nachlesen!

Augngläser

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Frau und ein Mann umarmen sich auf einem Marktplatz. Die Frau schaut dabei in die Kamera. Der Mann schaut auf die Frau. Er ist offensichtlich in Faschingsverkleidung als Frau.
(Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern)

„Besser ois nix!“ soll der Karl Valentin gesagt und dann sein gläserloses Brillengestell aufgesetzt haben!. Der Bayer und seine Augengläser! Überall sucht er sie, bis er sie schließlich auf der eigenen Stirn wieder findet. Wir bayerischen Brillenträger sind übrigens einem der unseren zu höchstem Dank verpflichtet! Joseph von Fraunhofer, 1787 in Straubing geboren, hat wie kein anderer in Benediktbeuern die Gesetze der Optik erforscht. Seine Produkte waren so mit seiner Person verbunden, dass man zum Fernrohr schlichtweg „Fraunhofer“ sagte. „Deat´s an Fraunhofer her!“, so steht´s schon in Kobell´s „Brandner Kasper“. So eine „blinde Brema“, wie es der Mensch nun mal ist, muss sich halt allerhand einfallen lassen, wenn er irgendwo genau „hinspitzen“ oder „hinluren“ will. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Banzn

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann arbeitet mit seinen Händen und einem Werkzeug an einem Stück Holz. Im Hintergrund sind noch andere Werkzeuge zu sehen.
Ein bayrischer Schäffler bei der Arbeit. 1950er Jahre. (Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern)

Vielerorts ist der „Banzn“ heute nur noch ein nostalgischer Schwindel, weil in Wirklichkeit der labende Gerstensaft in einem völlig unromantischen Aluminiumcontainer lagert und seinen Weg zum Masskrug nur der Show halber durch ein altes Holzfass findet! Der „Banzn“ ist also jenes bauchige Bierfass, zu dessen Herstellung früher spezialisierte Berufszweige notwendig waren. Schäffler und Küfer nannte man sie hierzulande, Böttcher und Fassbinder anderswo. Diese Holzhandwerker brauchten auch noch die Hilfe von Reifschneidern und Bandreißern, die die Eisenringe fertigten, mit welchen das Fass erst zusammengehalten wurde. Sprachlich soll der „Banzn“ übrigens vom lateinischen „pandochium“ kommen, wie die Römer ihr Wirtshaus nannten. In norditalienischen Dialekten heißt „panza“ heute noch so viel wie Wampe, Bierbauch. Und zwischen einem „Banzn“ und einer Wampn“ besteht ja auch in Altbayern ein ursächlicher Zusammenhang“. (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

"Greafrack"

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Zwei verkleidete und stark geschminkte Männer stehen im Vordergrund. Hinter ihnen sind viele Menschen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Fachberatung Heimatpflege

Noch heute kommt es vor, dass sich ein Stammtischbruder sorgenvoll fragt, ob die dritte Halbe noch opportun sein, weil einem doch die „Greana“ hinter jedem Gebüsch auflauerten. Die „Greana“, das sind die Polizisten, die Schandarm, die bewaffnete Staatsmacht („gens d´ armes“). Während in den meisten Ländern Europas die Polizei in kühlem „Blau“ für Recht und Ordnung sorgt, hat in Deutschland das vermeintlich gemütlichere „Grün“, zumindest bei der Landpolizei, Tradition. Zu größerer Beliebtheit hat das allerdings nur selten geführt. Als um die Jahrhundertwende der Räuber Mathias Kneißl die „Greafrack“, also die polizeiliche Staatsmacht in grünem Rock, offen verhöhnte, fand er die einfache Landbevölkerung auf seiner Seite. Das lag auch daran, dass die Personalpolitik des Prinzregenten massenweise fränkische Gendarmen in´s Dachauer Hinterland beordert hatte und der dortige Bauer den fränkischen „Greafrack“ als eine Art fremde Besatzungsmacht betrachtete. Verstanden wird er die mündlichen Instruktionen ihrer Vertreter ohnehin nicht haben! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).


´s Sach

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Haus mit integrierter Holzscheune steht auf deiner Wiese. Im Hintergrund ist ein Wald zu sehen. Auf der Wiese befinden sich außerdem vereinzelte Hühner und eine Kuh. Auf der Wiese stehen auch vereinzelte Bäume.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Was „eine Sache“ ist, bekamen unsere Vorfahren meist vom Advokaten gesagt. Dann handelte es sich vielleicht um eine Gerichtssache, eine Vaterschaftssache oder gar um eine Strafsache. Auf jeden Fall um etwas Unangenehmes. Wenn sie selbst aber von „Sach“ sprachen, dann meinten sie etwas anderes. Sie meinten Haus und Hof, Gesinde und Getier, Mobiliar und Kleidung. Das „Sach“, über das einer verfügen konnte, war sein Hab und Gut. War es viel und prächtig, sagten die Leute: „ Der hot a scheens Sach beinand!“ Waren die Dimensionen überschaubar, sprach man von einem „Sache“ oder einem „Sacherl“, jeweils mit hellem „a“ ausgesprochen. Egal ob viel oder wenig, herzeigen wollte man seinen Besitzstand auf jeden Fall, und so lud man vor der Hochzeit zum „Sachschaugn“, einer institutionalisierten Form zur Befriedigung verwandtschaftlicher Neugierde. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Batzeldauch

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Vier Kinder beim Auslöffeln der eingebrockten Suppe.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Der Ausspruch „We Brot ich ess, des Lied ich sing“ muss aus heutiger Sicht sehr eingeschränkt betrachtet werden, denn der einfach Mensch früherer Zeiten hatte kaum gebackenes Brot auf dem Tisch, geschweige denn Braten oder Wild. Stattdessen aß man gekochte Getreidebreie, Kraut- und Rübensuppen. In dieser Tradition steht auch der altbayerische „Dauch“, also eine Tunke aus Obst oder Gemüse, die fast täglich auf den Tisch des einfachen Mannes kam. Pikant als „Batzeldauch“ (Rüben- oder Kohlrabidauch), gesüßt als Birndauch, „Eiglbürdauch“ (Heidelbeerdauch) oder „Hoiariaßl“ (Hollerkompott), immer brauchte man dazu etwas zum „Einbrocken“ und „Auslöffeln“: Rohrnudeln, „Bansen“ (Dampfnudeln), „roggige Nul“ (Schmalzgebäck aus Roggenmehl) oder „Dempfnudel“ (Schmarren aus Roggenmehl). Also, besser würde es heißen: „Wes Dauch ich schlürf, des Lied ich sing!“. (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

Bicken

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Frau mit mehligen Händen ist am Backen. Vor ihr liegen drei, gleich große Teige. Im Hintergrund ist eine weitere Frau beim Backen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

„Lustig san d´Maurergeselln, wann s´an Dreck auffaschnelln. Wanna nacha bicka bleibt, na homm s´a Freid!“ Allein dieses bayerische Gstanzl belegt, dass unsere österreichischen Nachbarn kein Monopol auf das Verb „bicken“ haben, obwohl es in Form des „Bickerls“ zäh und klebrig mit ihnen verbunden ist. „Bicken“ heißt also „kleben, pappen“, „bickert“ somit „klebrig“. Eleganter als das bapperte Bickerl kommt da schon die „Vignette“ daher, ursprünglich ein Aufkleber auf Weinflaschen (französisch vigne = Weinrebe). Oder gar das „Etikett“ selbst, dem die Vornehmheit schon in den Namen geschrieben ist und das ursprünglich ein Zettel mit Benimmregeln im spanischen Hofzeremoniell war. Strenge Etikette also, die in den Köpfen der Hofschranzen bappen beziehungsweise bicken bleiben sollte! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

Boazn

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Vier Männer sitzen an einem Tisch und spielen Karten. Auf dem Tisch stehen außerdem kleine Gläser mit Schnaps. Zwei der Männer haben eine Pfeife im Mund. Alle haben die gleiche Art von Hut auf dem Kopf.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Fachberatung Heimatpflege

Der Vorgang des „Beizens“ bedeutet im Technologen-Deutsch „Veränderung einer Oberfläche mittels chemischer Beizmittel“. Wer schon einmal nach mehreren Stunden einer altbayerischen „Boazn“ entkommen ist, kann diese Auffassung guten Gewissens teilen. Haut, Haar und Gewand sind durchtränkt und gebeizt von einem infernalischen Brodem aus Tabakqualm (jedenfalls vor dessen öffentlicher Ächtung), Alkohol, billigem Fett, Wurst-, Pommes- und Krautgerüchen! Der Gast ist durch und durch „geboazt“, das heißt, er stinkt wie ein Iltis! Die „Boazn“, eine eher zwielichtige Kneipe, zählt also zur unteren Kategorie in der Hierarchie des Gastgewerbes. Das heißt aber nicht, dass man sich im Dunstkreis eines solchen Etablissements nicht wohl fühlen könnte. Man kann sich geben wie man ist, sich hängen lassen, rumflezen, palavern, kurz – „sich boazen“, als Inbegriff antibürgerlicher Bierdimpflseligkeit. Freilich haben Boazn-Diskussionen eine fatale Neigung, schnell an Heftigkeit und Aggression zuzulegen. Ob dann das mittelhochdeutsche „beizen“ ins Spiel kommt, was so viel wie „beißen machen, zustoßen“ bedeutet und der „Beizjagd“ mittels Greifvögel ihren Namen gegeben hat, ist ungewiss. Möglich ist´s schon, und zum „g´stingerten Iltis“ würd´s allemal passen! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Britschhaferl

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Junge, vor ihm steht eine weiße Schüssel mit  Wasser, wäscht sich das Gesicht. Links daneben sitzt auf dem Tisch eine schwarz-weiß gefleckte Katze, die etwas an einem Löffel ableckt.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Enten, Gänse und kleine Menschenkinder "britscheln" gerne mt Wasser, aber auch wir älteren Kaliber sind in der Lage, "einen rechten Britsch herzumachen", wenn wir etwa eine Halbe Bier oder eine Tasse Kaffee umgeschüttet haben. Immer geht es darum, dass da eine Flüssigkeit unkontroliert in der Gegend verteilt wird. "Britsch!", bei diesem Wortklang hört man die Bescherung quasi schon mit. Nun liebt die Mundart die Bildhaftigkeit und überträgt Alltagserfahrungen schnell auf alles Zischenmenschliche. Verteilen sich Gerüchte und Verdächtigungen nicht ebenso schnell wie ausgeschüttetes Wasser? Kann man sie, einmal verbreitet, je wieder einfangen? Natürlich, man kann nicht, und so hat es der Verursacher ja auch gewollt. Also kann man auch mit Gerede und Tratsch "einen rechten Britsch hermachen". Oder man kann jemanden "verbritschen", ihn also hinhängen, verpetzen, verpfeifen. Und wer solchen tut, ist und bleibt halt ein "Britschhaferl" (bitte mit langem "i") oder "´ne Petze", wie der Norddeutsche saacht! Ein Kompliment ist beides nicht! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Bummerl

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Junge sitzt mit einer weiß-blau gestreiften Decke auf einer Kuh. Diese ist im Gesicht mit Grünzeug und roten Blumen geschmückt. Der Jung schwingt einen Stock an dessen Ende wie eine Baumkrone, das gleiche Grünzeug ist und die gleichen roten Blumen wie bei der Kuh. Im Hintergrund ist eine weitere Kuh zu sehen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Was ein verbummelter Stundent“ ist, weiß heute kaum mehr jemand; was nicht bedeutet, dass diese Spezies an den Universitäten ausgestorben ist. Das Wort „bummeln“ soll vom trägen „Bum, Bum“ der großen Kirchenglocken kommen und bedeutet „schwanken, schlendern, nichtstun“. Mit dieser Färbung ist das Wort auch in die bairische Mundart gerutscht. Auf dem Bauernhof war das „Bummerl“ ein männliches Kalb, also das Gegenstück zur weiblichen „Koim“. Durch Fressen, Daliegen und Verdauen bereitete sich so ein „Bummerl“ auf seine hoffnungsvolle Karriere als Zuchtstier vor. Entsprechen konnte man aber auch einen langsamen, dicklichen Menschen als „Bummerl“ bezeichnen. Schließlich fand der Begriff Eingang in die Sprache der Technik. Eine gemächliche Lokalbahn mag in Norddeutschland „Bummelbahn“ heißen, hierzulande nennte man sie zärtliche – „Bummerl“! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

C + M + B

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann schreibt mit Kreide traditionelle Buchstaben an eine Holztüre. Zwei Frauen stehen hinter ihm. Eine von Ihnen hat etwas in der Hand. Unter anderem eine Gebetskette.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Traditionelle Segenswünsche: Nach altem Brauch ziehen zwischen Neujahr und Dreikönig als Könige verkleidete Kinder von Haus zu Haus. Sie tragen einen großen Stern mit sich, singen Dreikönigslieder und wünschen allen im Haus ein glückseliges neues Jahr. Um ihren Segenwunsch sichtbar zu machen, schreiben die Sternsinger an die Tür mit geweihter Kreide die Buchstabe C + M + B, die vom Volksmund als die Anfangsbuchstaben für Caspar, Melchior und Balthasar gedeutet wurden. Es handelt sich dabei aber um einen lateinischen Segenswunsch: "Christus mansionem benedicat" - "Christus segne dieses Haus!". Der heutige Sternsingerbrauch, der auch im nord- und westdeutschen Raum geplfegt wird, lässt sich bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen (vgl. Albert Bichler, Feste und Bräuche in Bayern im Jahreslauf, Berg-Verlag, 2012, S.10).

Dägerl und Goiddn

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Frau an einem alten Herd. im Hintergrund ist eine alte graue Steinwand.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Seit den Zeiten, da sich im frühen Mittelalter aus der Einraumhütte Zimmer mit unterschiedlichen Funktionen gebildet haben, ist die rußgeschwärzte Küche oder Kuchl“ (von lateinisch cucina) eine der wichtigsten Kammern des altbayerischen Bauernhauses. Entsprechend archaisch wirken die Namen mancher Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände. In der „Oricht“ (Küchenschrank) oder in den „Schäfen“ (Wandborde) werden jeden Mende „Dägerl“ (kleine Töpfe), „Bohaferl“ (Tiegel mit Griffen), „Brokore“ (Bratrainen), „Grandhaferl“ (Schöpfhafen) und „Schiffegazn (Kanne für Warmwasser) aufbewahrt. Im „Millikasten“ stehen „Weidlinge“ Gefäße für gestöckelte Milch), „Goiddn“ (hölzerne Milchgefäße) und „Riahmillekiewe“ (Kübel für die Herstellung von Buttermilch). Und immer schon galt: Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Wenn die Köchin nach stundenlanger Arbeit im Stehen dicke Beine bekam, „tratzte“ man sie mit den Worten: „ De hot Fiaß wia Riahmilliekiewe!“ (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015).


Das Eisen

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Zwei Männer stehen offensichtlich auf einem großen zugefrorenen Teich/See und holen mit Holzwerkzeug Eisschorlen aus dem Wasser. Weiter im Hintergrund schneiden zwei weiter Männer Eis aus dem Gewässer heraus. Der Hintergrund an sich ist weiß. Es sind paar Schilfhalme und vereinzelte Teile von Bäume zu sehen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Nicht eine Art von Metallherstellung ist mit dem „Eisen“ gemeint, sondern die Bereitstellung von Kühlungsmittel vor der Epoche von Gefrierschrank und Kühltruhe. Das Eis des dörflichen Weihers wurde von Knechten mühsam in Stücke gehackt und gesägt, dann mit Spitzhaken aus dem Wasser befördert und mit dem Pferdefuhrwerk in einen nahen Eiskeller befördert. Diese Keller, die sich nur Brauer, Wirte und Großbauern leisten konnten, hatten doppelte, mit Torf isolierte Wände. In ihnen hielten sich die Eisbrocken bis in den nächsten Herbst hinein, ohne Pfützen zu bilden. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Eis des dörflichen Weihers von industriell hergestelltem Stangeneis abgelöst, das mit Lastwagen zu den Kunden gebracht wurde. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).


Der gache Steig

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Frau in Tracht geht an einem Hang entlang. Ihr folgen Kühe, die am Kopf mit Grünzeug und roten Blumen geschmückt sind. Manche Kühe tragen auch eine Glocke um den Hals. Alle laufen wie in einer Schlange hintereinander.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

"Da is 's aba gach aufiganga!", so stöhne schon so machner Bergsteiger nach einem langen, mühsamen Aufstieg. Das Wörtchen "gach" und seine Verwandten "gäh" oder "gäch" waren früher geläufige Begriffe der deutschen Hochsprache, rutschten dann in die Mundart ab und sind heute fast völlig vergessen. "Gach" heißt so viel wie steil, aufsteigend, jäh. Da es in Bayern Hunderte von steilen Straßen gibt, wundert es nicht, dass mehrere Dutzend davon "Gasteig" heißen, eine Verballhornung von "gacher Steig". Der prominenteste Vertreter dieser Anstiege ist natürlich der Münchner "Gasteig" mit dem Sitz der Philharmoniker. Wäre doch lustig, wenn eines seiner Mitglieder "Gasteiger" hieße, denn dieser gebräuchliche, aus dem Alpenraum stammende Familienname bezeichnet natürlich auch nichts anderes als eine Sippe, die an einem "gachen Steig" wohnt. Noch trefflicher, wenn unser fiktiver Philharmoniker ein impulsiver Künstler wäre, denn auf menschliches Verhalten übertragen meint der Begriff "gach" auch "ungeduldig, rasch aufbrausend" ("Jetz pack i's gach!")! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Die "Otterman"

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Links vom Foto ist ein Ausschnitt eines Kamins mit grünen kacheln zu sehen. Der Kamin hat eine kleine Nische, auf der eine weiße Tasse steht. Diese ist mit rosa und blauen Blumenmustern versehen. Neben dem Kamin sitzt eine Person, die eher an der Kamera vorbei schaut.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Bequemes Mobiliar war wohl das Letzte, was man in einem alten bayrischen Bauernhaus erwarten durfte. Hart und hölzern waren die Bänke rund um Esstisch und Kachelofen, derb auch das Bankl auf der Gred vor dem Haus, wo man im Sommer das abendliche Bier trank. Man war´s nicht anders gewohnt, und wenn man´s gar nicht mehr „derhocken“ konnte, stieg man halt in die „Bettstatt“, steinmüd und in Erwartung eines neuen Arbeitstags, der für die meisten um fünf Uhr früh begann. Aber halt! Zwei Ausnahmen von der Regel hat es wohl gegeben. Den Ohrensessel, der aber meist den „z´sammgwerkelten“ Austragsbauern vorbehalten war – und die „Otterman“ in der Stube. Über irgendwelche unerfindlichen Umwege hat dieser Begriff den Weg in die altbayerische Bauernstube gefunden. Man sagte nicht „Sofa“ oder „Couch“, eher schon „Kanapee“ oder „Diwan“. Die Alten aber sagten „Otterman“ für jenes mit Pferdehaar gepolsterte, oft lederne, oft tausendmal geflickte Liegemöbel, dessen Urahnen offenbar schon den alten Ottomanen (Osmanen) sanfte „Liegerstatt“ bot. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).


Drud

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Zwei Personen schauen in die Kamera. Ihre Gesichter sind nicht zu erkennen, da sie Masken tragen und verkleidet sind. Im Hintergrund sind weiter Personen, die verleidet sind und eine Maske tragen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Ehe das Christentum für etwa eineinhalb Jahrtausende den Gedanken des Monotheismus in unserer Gegen trug, herrschten hier mehrere Tausend Jahre lang animistisch-schamanistische Religionsvorstellungen. Da muss es nicht verwundern, dass wir noch allerorten durch Wunderorte, Quellheiligtümer und sagenumwobene Gestalten daran erinnert werden. So galten etwa die „Druden“ als weibliche Nachtmahre, verwandt mit den Hexen und Elfen. Sie konnten vor allem in der Nacht Besitz von einem Menschen ergreifen. „Den hot d´ Drud druckt“, sagte man, wenn einer eine schwere Nacht mit Brustschmerzen und Atembeschwerden hinter sich hatte. Eine beliebte Möglichkeit, sich mit dem Unheimlichen anzufreunden, war immer schon, sie durch Benennen zu verharmlosten, etwas durch Frauennamen wie „ Wiltrud“, „Gertrud“ und „Waltrud“. Noch lieblicher klingt der Kosenamen „Drutscherl“. Wenn aber aus dem „Drutscherl“ später eine „Drutschn“ wurde, war der alte Albtraum von den Nachtmahren doch wahr geworden! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)


Dutt

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Frauen in Tracht knien zwischen den Bänken in einer Kirche. Manche haben ein Gebetsbuch oder eine Gebetskette in der Hand. Alle Frauen tragen die Haare in einem Dutt, tagen ähnliche Trachten und haben den gleichen Hut auf.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Es gibt ihn auf dem Scheitel oder auf dem Hinterkopf, geflochten, gezwirbelt oder gewunden, mit Kämmen oder Nadeln gesteckt. Vornehm nenne man ihn Chignon, mundartliche findet man die Bezeichnung Gogsch, Punz, Huppi und Pürzi. Gemeint ist der weibliche Haarknoten, in Bayern „Dutt“ genannt. Während in vielen Kulturen nur Jungfrauen ihr Haar offen tragen durften und der Dutt den verheirateten Frauen vorbehalten war, war in anderen Zeiten das kunstvoll verknotete Haar vor allem bei Prostituierten verbreitet. Dass sich heute auch Männer die spärliche Haartracht verknoten, ist zwar originell, aber nicht neu. Der römische Schriftsteller Tacitus berichtet, dass sich die germanischen Sueben das Haar seitwärts kämmten und es auf dem Scheitel zu einem hohen Knoten auftürmten („Suebenknoten“), um im Kampf größer und eindrucksvoller zu wirken. Gut, wenn’s hilft! Aber vielleicht hatte man in diesen archaischen Zeiten auch noch stärkeren Haarwuchs? Den braucht man nämlich schon für einen imposanten Dutt. (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

Faade Moin...

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Zwei Männer in weiß gekleidet stehen nebeneinander und sind am Backen. Sie stehen eher mit dem Rücken zur Kamera. Vor ihnen liegen gleich große Teige.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Fachberatung Heimatpflege

"Faade Moin", "gsoichter Aff" und andere kulinarische Kuriositäten.

Dass man – wie wohl auf der ganzen Welt - im alten Bayern Vergleiche aus der Tierwelt (von A wie Aff´, bis Z wie Zeck´) heranzog, um die Wesenszüge der geliebten Mitmenschen zu charakterisieren, ist eine Binsenweisheit.
Dass aber auch die Küche und ihre Erzeugnisse dafür herhalten mussten, ist vielleicht etwas regional Besonderes. Das Innere der Semmel kann duftig-wohlschmeckend oder geschmacklos-pappig sein, im zweiteren Fall handelt es sich um eine „faade Moin“. Dasselbe kann mit einem Nockerl (neudeutsch: Gnocchi) passieren, dann wird eine „faade Nockn“ daraus. Wenn man entsprechende Frauenzimmer mit diesen Begriffen kennzeichnete, war es garantiert nicht als Kompliment gemeint. Aber (Achtung: gendering!) den Mannsbildern erging es keineswegs besser! Vom „armen Würschtl“, über den käsebleichen „Kaasloabe“ bis hin zum unterernährten „Magermuich-Krippe“ reicht die Palette der Freundlichkeiten. Ein untergewichtiges Bürscherl nannte man einen „dürren Haring“ (Hering). Wenn einer recht langweilig und konturlos daherkam, dann hieß man ihn einen „Doagadn“ (einen „Teigigen“) oder gar einen „Doagaff´“ (einen „Teigaffen“) – womit Küche und Tierwelt wieder vereint waren. Die Steigerung dessen war dann nur noch der „gsoichte (geselchte, geräucherte) Aff´“, aber es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher in der altbayerischen Küche wirklich zubereitet wurde! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).


Gsodschneider und Schnacklsäuln

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann und eine Frau binden Stroh zusammen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Viele Mundartbegriffe sterben aus, weil die entsprechenden bäuerlichen Techniken ausgestorben sind. Allein ein Pflug hatte Dutzende Teile – zum Beispiel Sohle und Grindel, Sech, Schar und Molter – die heute kein Mensch mehr versteht. Aber auch die beginnende Technisierung des 19. Jahrhunderts fand Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. „Dreschwägen“ – und „Steftnzylinder“ erleichterten die harte Erntearbeit, den „Gsodschneider“ brauchte man beim Zubereiten des Tierfutters („Gsod“), die „Schnacklsäuln“ beim Lupfen von schweren Baumstämmen. Als Antrieb hatte man den „Göpel“, ehe mit dem „Hoizvergaser“ die Vorform des modernen Traktors geschaffen war. (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

Gwand

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann sitz und näht mit den Händen an einer Tracht.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Wieder einmal fehlen uns die rechten Buchstaben, um die Nuancen des Dialekts herauszustellen. Was das „Gwand“ ist, lässt sich leicht beschreiben. Mit einem langen, tiefen „a“ ausgesprochen, ist es die Gesamtheit aller Schürzen, Röcke, Blusen und Kleider, die sich im Kleiderschrank der besseren Hälfte finden lassen. Spricht man das „a“ aber kurz und hell aus, mutiert damit gleich der ganze Sinn des Wortes. Das Adjektiv „gwandt“ heißt „anstellig, geschickt“. „Des is a ganz a Gwandte!“, das ist ein ehrliches Lob über ein tüchtiges Weibsbild. Auch ein Umstand kann „gwandt“ sein, nämlich im Sinne von „vortrefflich, praktisch“. Dass die femininen und neutralen Formen von „gwandt“ häufig, die maskulinen aber eher ungebräuchlich sind, sollte uns Mannerleit aber doch zu denken geben! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)


Heigeign

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Zwei Männer mähen mit Holzwerkzeug eine große hügelige Wiese. Im Hintergrund ist ein Wald zu sehen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Die Violine, auch Geige genannt, hat nicht nur in der klassischen Musik, sondern auch in der Volksmusik ihren festen Platz. Von da aus hat der Begriff "geigen" ein seltsames Eigenleben entwickelt. "Da geigt si nix!", sagt der Bayer, wenn er jemanden von der Aussichtslosigkeit eines Unternehmens überzeugen will. "Hör jetzt auf zum Rumgeign!", mahnt der Lehrer den unruhigen Schüler, und meinte damit seine unkontrollierten, "geigenden" Bewegungen. Selbst das Instrument wurde in einem anderen Bereich instrumentalisiert: Eine Heugeige oder "Heugeign" war ein Holzgestell zum Trocknen des Heus. Der Begriff wurde dann auch auf Menschen übertragen, die einem Knochengestell glichen. Ein dürres, unattraktives Frauenzimmer nannte man also mehr oder weniger scherzhaft ebenfalls "Heigeign"! Apropos "Hei" beziehungsweise Heu! Das "Heungert", also das Einbringen trockenen Heus, war für die winterliche Versorgung des Viehs von existentieller Bedeutung, ebenso die zweite Heuernte des Jahres, das "Kroamat" (Krummet) und  - wenn klimatisch möglich - die dritte Ernte, das "Drittelkroamat". Dass man sich da vor jedem Regenguss fürchtete, liegt auf der Hand, und so nannte man auch jeden Windstoß, der in das Heu fuhr, eine unliebsame "Heigeign"! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

hoibscharig

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren:
Vier Personen pflügen einen Acker mit Kühen. Neben dem Acker ist eine Wiese. und im Hintergrund sind weitere Felder und eine Hofstelle.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Die Kraft jeder Mundart, die ja Volkes Stimme ist, liegt darin, innere Befindlichkeiten und Stimmungen durch bildhafte Alltagserfahrungen zu beschreiben. Diese Stärke hat auch das Bairische, was durch Beispiele belegt sein soll. Was eine „Schar“, nämlich eine Pflugschar, ist, wusste früher jeder. Es war ein Kraftakt für Zugtier und Pflüger, sie stundenlang tief im Erdreich dahingleiten zu lassen. Wenn man sich davor drückte, tauchte die Schar nur „hoibscharig“ ins Erdreich, was die Fruchtbarkeit des Ackers deutlich verminderte. Diese Erfahrung ist übertragbar. Wer eine Aufgabe nur halbherzig, widerwillig und schlampig erledigt, der ist eben „hoibscharig“ bei der Sache. Wer dagegen motiviert und erfinderisch ist, der wird seine Sache schon “deichseln“. Die Deichsel war die Zugvorrichtung von alten Fuhrwerken, durch sie wurde der Wagen gezogen, gebremst und gelenkt. Und so kommt´s auch im richtigen Leben darauf an, alles richtig zu „deichseln“ – und das nicht nur „hoibscharig“! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015)

Irxenschmoiz

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann ist in einer Werkstatt. Er zieht an einem Stück Holz, das an einem Seil befestigt ist. Links von ihm ist ein kleiner, weißer Hund.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

„Host a Schmoiz?“ Den Sinn dieser Frage genau zu verstehen , kann für Ihr körperliches Wohlergehen von höchster Bedeutung sein! Sollten Sie Lebensmittelhändler sein, können Sie die Sache getrost von der harmlosen Seite nehmen. Dann erkundigt sich jemand danach, ob Sie ein tierisches („geschmolzenes“) Schlachtfett führen, vielleicht vom Rind, vom Schwein oder von der Gans. Sollte Ihnen die Frage „Host a Schmoiz?“ allerdings bei irgendeinem Volksfest oder bei einem Fußballspiel der unteren Ligen gestellt werden, ist größere Vorsicht geboten! Dann ist der Terminus nicht als Frage, sondern als Ankündigung einer unmittelbar bevorstehenden Rauferei zu werten! Auf diese Form bayerischen Brauchtums sollten Sie sich nur einlassen, wenn Sie tatsächlich davon überzeugt sind, über genügend „Schmoiz“, in diesem Fall also über Muskelkraft, zu verfügen! Eventuell sogar über das besagte „Irxnschmoiz“ – die Kraft der „Irxn“, also der Achseln. Irxnschmoiz hin, Irxnschmoiz her – ich würde Ihnen ohnehin eher empfehlen, sich so einer prekären Situation schleunigst zu entziehen, frei nach dem Motto: „Liaba fünf Minuten feig, ois a Leben lang dod!“ (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Kirta

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Fünf Kinder schauen in die Kamera. Alle haben Kuhglocken um den Hals hängen. Der Hintergrund ist schwarz.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Das Kirchweihfest, das in Altbayern auch Kirta oder Kirwa heißt erinnert an den Weihetag der Kirche und wurde ursprünglich in jedem Dorf zu unterschiedlichen Terminen gefeiert. Da dieses Fest aber meist mit ausuferndem Essen und Trinken verbunden war, erregte es im 19. Jahrhundert Anstoß. Von staatlicher Seite wurden deshalb 1868 alle Kirchweihfeste im Land auf einen festen, einheitlichen Termin („Allerweltskirta“ am dritten Sonntag im Oktober) gelegt. In weiten Teilen Bayerns, besonders in den flächendeckend katholischen, wurde diese Anordnung auch befolgt, aber nicht in allen.

Traditionen zu Kirta:
Kirta war seit jeher ein willkommener Anlass für ein Familientreffen, zum Feiern und Pflegen mancher Traditionen. Am Kirtasamstag zogen und ziehen beispielsweise junge Burschen mit (Kuh-) Glocken beim „Kirtalauf“ von Haus zu Haus und bitten um eine kleine Geld- oder Sachspende. Sie knüpfen damit an die Sitte der Hiatabuam (Hirtenjungen) an, die früher nach dem Ende der Weidesaison zu den Bauern im Dorf gingen, um sich ihren Lohn abzuholen. Dieser Brauch wird zum Teil heute noch in einigen Gemeinden im Loisachtal gepflegt. Für die Bewirtung der zahlreichen Verwandten und Gäste geht es am Kirtasonntag vielen Gänsen und Enten an den Kragen, die extra für dieses Fest gemästet worden sind. Was auf keinen Fall fehlen darf, sind auch die „Kirtanudeln“, die Auszogenen oder Kiachl, die in großen Mengen in heißem Fett gebacken werden. Nach dem gemeinsamen Essen trifft sich die Jugend in einer Scheune bei der „Kirtahutschen“. Das ist ein dickes, breites, schaukelndes Brett, auf dem sich die jungen Leute drängen. Beim abendlichen Tanz zu den Klängen einer Tanzlmusi kommen alte Volkstänze und Figurentänze wieder zu Ehren. In einigen Orten in Oberbayern, gehört zum Kirchweihmontag auch der Betteltanz. Dafür müssen zwei Burschen, die „Ruatnbuam“, möglichst viele Tänzer und Tänzerinnen im Dorf zum Tanz animieren. Mittags geleiten sie alle Mädchen mit Musik und einer langen Rute in eine Wirtschaft, wo sie mit Burschen „verbandelt“ werden, mit denen sie den Abend verbringen – und die Zeche bezahlen müssen. (vgl. Albert Bichler, Feste und Bräuche in Bayern im Jahreslauf, Berg-Verlag, 2012, S. 97ff.)

Krampus

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Person steht verkleidet in einer Tür. Sie trägt ein weißes Gewand und hat außerdem eine Maske auf mit einer roten "Mütze" und weißem Bart. Außerdem hält er etwas in den Händen. Durch die Tür kommt ein Lichtstrahl.  Der Rest des Fotos ist so gut wie schwarz.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Kein Licht ohne Schatten, kein Heiliger ohne Versucher, kein Nikolaus ohne Krampus! Aber welcher Dämonenwelt ist er denn entsprungen, dieser ewige Begleiter des heiligen Bischofs, dieser zottelige Verwandte der Perchten und Druden? An seiner Kette rütteln, grunzen, den Kindern Angst und Schrecken einjagen, das kann er! Aber uns erklären, wo er herkommt? Fehlanzeige! Kommt sein Name tatsächlich vom mittelhochdeutschen Wort „Krampen“, was so viel wie Kralle bedeuten soll? Oder hat der altbairische Begriff „Krampen“ damit zu tun, der mancherorts für „Verdorrtes“, Hässliches, Lebloses“ verwendet wird? Lebloses? Ja, ist er etwa der Welt der Untoten entstiegen, der Krampus, womit wir gleich beim Thema „Halloween“ wären, wo wir gar nicht hin wollten? Und welche verdächtige Rolle spielt die weibliche Form des Krampus, die man in Altbayern auch kennt? Die heißt dann „Kloosin“ (Klausin) und trägt eher hexenhafte Züge. Fragen über Fragen jedenfalls, aber das ist ja nichts Neues im Metaphysischen! So ein Krampen, der Krampus! (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Lätschnbene

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Personen sitzen am Tisch. Einer raucht Pfeife und eine andere eine Zigarette. Auf dem Tisch stehen Gläser mit Bier und Suppenteller.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Fachberatung Heimatpflege

„Der Lätschnbene“

„Lätschert“ kann in Bayern alles mögliche sein, der Zwetschgendatschi, die Halbe Bier oder der Gurkensalat. Ein Kompliment für das betreffende Gericht ist es nie! Es wird als lasch, zusammengefallen, kontur- und geschmacklos empfunden. „Lätschert“ kann einem aber auch selber zumute sein. Dann ist man gelangweilt, antriebslos, unmotiviert, schlapp. Man hängt rum! Demonstratives Rumhängen hingegen kann aber auch aktives Zeichen des Protestes sein. „Ziag ned so a Lätsch´n!“ hat so mancher von uns schon gehört, wenn man dem elterlichen Ausgehverbot mit einer hängenden Mundwinkel-Partie quittiert hat. Dann ist mit der „Lätschn“ jener Teil des Gesichts gemeint, der – der Verhaltensforschung zufolge – auf der ganzen Welt non-verbale Begeisterung oder Missmut ausdrücken kann. Der Träger eines Missmut-Gesichts wird hierzulande nicht selten auch noch als „Lätschnbene“ diskriminiert!

Luzienhäuserl

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Kinderscharr laufen im dunkeln und manche tragen kleine Häuser in den Händen. im Hintergrund ist ein Gartenzaum:
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders im Jahre 1582 war das Namensfest der heiligen Lucia am 13. Dezember der Tag der Wintersonnenwende, also der küzeste Tag des Jahres. Nach altem Volksglauben bedrohten in den längsten Nächsten des Jahres böse Geister und Dämonen die Menschheit und erst nach dem Lucientag, so wusste man, beginnt der Tag wieder zu "wachsen". So kennzeichnet das Namensfest der besonderen Heiligen aus Sizilien Dunkelheit und Licht zugleich. Die Lichtheilige "Santa Lucia" wird aufgrund ihrer Herkunft besonders in Italien mit Umzügen und Volksfesten geehrt, aber auch in anderen Ländern haben sich Bräuche um die Heilige etabliert und bis heute erhalten. In Schweden beispielsweise besuchen in weiß gekleidete Mädchen mit einem Kranz brennender Kerzen auf dem Haupt als "Lucienbräute" Kindergärten, Schulen und Betriebe und kündigen die Weihnachtszeit an. Aber auch in Oberbayern in der Kreisstadt Fürstenfeldbruck erinnert ein Brauch an Luzia. Hier basteln Kindergartenkinder und Grundschüler aus Pappe, Sperrholz und Transparentpapier Modelle von Häusern ihrer Stadt. Am Abend des 13. Dezember bringen sie ihre Kunstwerke zur Amperbrücke, wo sie feierlich gesegnet werden. Danach werden die mit Lämpchen illuminierten Luzienhäuserl ins Wasser des Flusses gesetzt wo sie dahintreiben bis sie von der Strömung mitgerissen werden. Der Ursprung des Brauchs ist nicht eindeutig erklärt. Er könnte auf eine Hochwasserkatastrophe im 18. Jhdt. zurückgehen, ist aber wahrscheinlich schon viel älter. Das "Lichterschwemmen" war und ist auch in anderen Orten Bayerns und anderorten bekannt. (vgl.: Albert Bichler: Feste und Bräuche in Bayern; J. Berg-Verlag; 2012; S. 119 f.)

Martini

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann in Ritterrüstung sitzt auf einem Pferd. Er trägt außerdem einen roten Umhang. Und in einer Hand hält er ein Schwert nach oben.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

"Martini - stell ini", lautet ein bekannter Bauernspruch für den Martinstag am 11. November. Nach diesem wichtigen bäuerlichen Lostag ist es nämlich meist zu kalt draußen, so dass die Tiere im Stall bleiben müssen und nicht mehr auf die Weide dürfen. In manchen Gegenden übergab der Hirte am Abend dieses Tages dem Bauern eine grüne Gerte - von der Birke oder der Esche gebrochen -, die geschmückt über den Winter aufbewahrt wurde. Und im Frühjahr wurden mit ihr dann die Tiere erstmals wieder ins Freie getrieben. Die Gerte trägt symbolisch die Fruchbarkeit über den Winter. "Martini" war bis vor nicht allzu langer Zeit auch Zahl- und Abgabetag bei den Bauern. Da wurden die Saisonarbeitskräfte, wie Sennerinnen und Hirten, entlohnt und verließen den Hof (...). In manchen Orten reitet auch der "Heilige Martin" bei Umzügen mit und teilt - wie es die Legende will - seinen Soldatenmantel mit einem Schwerthieb auseinander und gibt einen Teil einem frierenden Bettler (aus: Judith Kumpfmüller, Dorothea Steinbacher: Das bayerische Brauchtumsjahr; Heyne-Verlag; 2005; S.179).

Palmesel und Pfingstochs

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Kuhkopf in Großaufnahme ist mit Grünzeug geschmückt. Im Hintergrund ist babyblauer/weißer Himmel.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Im altbairischen Tierpark gab es ja viele seltsame Kreaturen. Als der Kirchenmaler Johann Georg Dieffenbrunnger (1718-1785) auf einem barocken Deckenfresko mittels eines Elefanten den Erdteil Afrika symbolisieren sollte, malte er kurzerhand einen Esel und pappte ihm eine Art Gartenschlauch als Rüssel davor. Einen Elefanten hatte er im Original halt nie gesehen, was man ihm nicht zum Vorwurf machen sollte. Auch der Volksmund erschuf derb, aber kreativ neue Rassen: Den „Sauhund“ zum Beispiel, den „Saubärn“, den „Saustier“ oder den „Sauhammel“! der „Gsoichte Aff“ erfreute sich im Wirtshaus großer Beliebtheit bei politischen Diskursen. Aber auch sehr kurzlebige Fantasietiere gab es . Wer sich am ersten April in denselben schicken ließ, wurde den ganzen Tag als „Aprui-Aff“ gefoppt. Wer am Palmsonntag zuletzt aus den Federn kam, war, der „Palmesel“, an Pfingsten der „Pfingstochs“ (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Paradeisl und Adventskranz

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Kinder stehen in Kirchbänken. In der ersten Reihe liegen auf der Ablage Kränze aus Tannenzeigen und mit jeweils vier roten Kerzen drauf. Jeweils eine der Kerzen brennt. Die Meisten der Kinder haben ein Kopftuch auf!
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Die vierwöchige Adventszeit will symbolisch an die 4000 Jahre erinnern, die die Menschheit auf die Ankunft des Erlösers gewartet hat, und auf sein Kommen zu Weihnachten einstimmen. Zur Vorbereitung auf das beliebte Fest tragen seit je her viele Bräuche und Traditionen bei. Vor dem Adventskranz stellte man, vor allem in Altbayern, das sogenannten „Paradeisl“ auf - als Symbol der vorweihnachtlichen Zeit. Dies ist eine schlichte Pyramide aus Holzstäben an deren Ende jeweils ein rotbackiger Apfel steckt. Verziert und mit vier Kerzen, dem Adventskranz ähnlich, versehen, symbolisieren seine drei Dreiecke die göttliche Dreifaltigkeit. Das Paradeisl soll in den 1870er Jahren aus Südtirol nach Oberbayern gekommen sein und wurde hier zum traditionellen Adventsschmuck und damit zum Vorläufer des heutigen Adventskranzes.

Dieser hat seinen Ursprung nämlich nicht in bayerischen Landen, sondern im evangelischen Norden Deutschlands . Mit dem Grün des Kranzes wurde dort an einen alten Brauch der Mittwinterzeit angeknüpft, denn mit grünen Zweigen wollte man einst Gesundheit, Wachstum und Fruchtbarkeit in Haus, Stall und Feld sichern und böse Geister fernhalten. Im katholischen Süden war der Kranz zunächst verpönt und konnte sich erst in den 1930er Jahren nach und nach durchsetzen.
Heute findet man den grünen Kranz mit den vier Kerzen in allen katholischen Kirchen. In vielen Kirchen werden am 1. Adventssonntag die mitgebrachten Adventskränze der Gläubigen vom Priester gesegnet (s. Bild) (vgl. Bichler, A.; „Feste und Bräuche in Bayern“, S. 112 ff.).

Rossboinklaum

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Es ist ein Pferdeumzug zusehen. Aber man kann die Pferde und Menschen nur von hinten sehen. Am Rand stehen Menschen, die dem Umzug zuschauen. Im Hintergrund sind Bäume und Wiese zu sehen.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Noch heute gibt es Länder, in denen man getrocknete Kamel- oder Kuhfladen gegen teures Geld kaufen kann, vor allem als Brennmaterial, aber auch als Düngemittel. Diese nachhaltige Wirtschaftsweise war früher in Bayern ebenfalls verbreitet. So wurden noch in den Nachkriesgzeit Kinder damit beschäftigt, auf der Straße „Rossboin“, also Pferdeäpfel, zu sammeln, um sie als Dünger in den Garten oder auf dem Feld einzubringen. Vor allem die Buben wurden mit dem „Rossboinklaum“ beauftragt, missbrauchten ihr Amt aber nicht selten für heftige Schlachten mit den stinkenden Wurfgeschossen. Auch beim Mistfahren war man auf Sparsamkeit bedacht. Hatte der Regen den Mist auf den Wiesen genügend ausgewaschen, sammelten ärmere Bauern das saubere Stroh mit dem Rechen wieder zusammen, um es erneut zum Einstreuen zu verwenden. Heutzutage gibt es den „Rossboinklauber“ nur mehr selten, etwa bei der Münchner Fronleichnamsprozession. Dort harren Ministranten eifrig auf das Äpfeln der den Zug anführenden Pferde, damit nur ja keiner der hohen Geistlichkeiten „neidappt“ in die Bescherung. Diesen Gefahren gehen die Honoratioren am Leonharditag geflissentlich aus dem Weg und sitzen (oder saßen) selbst „hoch zu Roß“ oder gleich in der Kutsche. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Soimerer

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Frauen gehen in Viererreihen hintereinander her. Sie haben alle die gleiche Tracht an und haben ihre Haare zu einem Dutt zusammengebunden.  Und sie tragen alle den gleichen Hut. Ihre Hände haben sie zusammengefaltet.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Fachberatung Heimatpflege

Der sonntägliche Kirchgang prägte den bäuerlichen Wochenablauf. Die "gweichten" (geweihten) Herren, also Pfarrer und "Koprata" (Kooperator, Kaplan) "lasen" die Messe, "wandelten" den Leib des Herrn "auf" , erteilen "Asperges" (Besprengung der Gläubigen mit Weihwasser) und "Wettersegen". Da sie meist selbst ihre Pfarrhöfe bewirtschafteten, gaben sie auch landwirtschaftliche Ratschläge und in Erntezeiten Dispens vom sonntäglichen Arbeitsverbot. Manche klerikale oder liturgischen Begriffe schlichen sich in die Alltagssprache ihrer Schäflein ein. Einen "langsamen Pater "nannte man jemanden, der mit seiner Arbeit so gar nicht vorankam, ein "kyrerndes Weibsbild" eine, die so oft und inbrünstig, das "Kyrie" mitgesungen hat, dass sie sich mit ihrer schrillen Stimme auch im Alltag Gehör verschaffen konne. Ein "Soimerer" war schließlich jemand, der immer wieder die gleichen Redensarten herunterleierte, also den ewig gleichen "Sermon" predigte. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Soinzöpfl

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Eine Frau und ein Mann sind bei der Grabpflege.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Dass ihre Seele ein Zöpfchen habe, das haben selbst unsere Vorfahren nicht geglaubt, deren metayphysische Vorstellungen oftmals ins Bildhaft-Naive abgeglitten sind. Also muss es sich beim „Soinzöpfl“, dem „Selenzöpfl“, um etwas anderes handeln. Tatsächlich kann man in Osteuropa heute noch erleben, dass dem Verstorbenen Gebäck ins Grab mitgegeben wird, das er auf seiner langen Reise sicher gut gebrauchen wird. Auch im alten Bayern buk man in dieser Tradition anlässlich einer Leich Wecken und Semmeln, die für die Armen des Dorfes „geopfert“ wurden. Heute wird noch mancherorts an Allerseelen am 02. November nach dem Allerheiligenfest ein „Soinzöpfl“, ein Hefeteigzopf, gebacken und an Patenkinder und Freunde verteilt. Die Rosinen drin sind allerding illegal, denn eine kirchliche Verordnung von 1711 sagt, die Zöpfl mögen aus „minderem Teig“ sein. (aus: "Irxenschmoiz und Wedahex", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2014).

Tandler

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Ein Mann mit Zigarre in Mund schaut sich an einem Stand Weihnachtsbaumkugeln an. Die Kugeln haben die Farbe rot, silber, blau und gold.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

In Zeiten, in denen man nicht alle Augenblick in den Supermarkt fahren konnte, war man angewiesen auf ambulante Händler, die mit Rückenkorb („ Kratte“) oder kleinem Gespann unterwegs waren, um auch die entlegensten Höfe mit Waren zu versorgen. Der „Wognschmiertandler“ brachte beispielsweise das Schmieröl, der „Samentandler“ Blumensamen, der “Bättamacher“ geweihte Kerzen und Rosenkränze. War der „Tandler“ mit einem Stand auf Märkten vertreten, so war er ein „fliegender Händler“. „Tandln“, also mit „Tand“, mit billigen Kleinwaren Handel treiben, das war sein Gewerbe. Noch heute hat sich der Begriff im bairischen Dialekt erhalten. Der „Autotandler“ handelt mit Gebrauchtwagen und Ausschlachtteilen. Übrigens kann man auch beim Fußballspielen zum „Tandler“ werden, in dem man durch leichtsinniges Herumgespiele den Ballbesitz „vertandelt“! (aus: "Ohrwuzler und Zeiserlwagen", Alte bairische Worte, herausgegeben von N. Göttler, Verlag Bayerland, 2015).

Frauentragen

Historisches Foto in verblichenen Farben aus den fünfziger Jahren: Kinderstarr stehen im Dunkeln. Sie sind kaum zu erkennen. Durch eine Holztür kommt etwas Licht herein und lässt von wenigen das Profil des Gesichts erkennen. Das Kind, das am nächsten an der Tür steht hat eine Figur in der Hand.
Foto: Paul Ernst Rattelmüller © Bezirk Oberbayern

Das „Frauentragen“ ist ein christlicher Adventsbrauch der Marienverehrung, der vor allem im alpenländischen, aber auch im osteuropäischen Raum Verbreitung fand und zum Teil noch findet. Die vorweihnachtliche Zeit steht im Zeichen des Weges, des Aufbruchs und des Wanderns: Maria und Josef sind unterwegs nach Bethlehem, die Hirten suchen das Kind. Dabei wird beim Brauch des „Frauentragens“ eine Marienfigur oder eine Marienikone in der Adventszeit von Haus zu Haus, von Familie zu Familie getragen. Jede Nacht findet Maria somit symbolisch Herberge bei einer anderen Familie. Üblicherweise findet bei der Übergabe ein gemeinsames Gebet oder eine kurze Hausandacht statt.

Wichtigste biblische Grundlage für diesen Brauch ist die Herbergssuche Mariens in Bethlehem zur Zeit ihrer Niederkunft" (Lk 2, 1-7).
Während Maria in der Weihnachtsgeschichte bekanntlich nicht in der Herberge, sondern nur in einem Stall unterkommt, wird sie beim "Frauentragen" in zahlreichen Häusern der Pfarrei aufgenommen. In der Zeit vom 1. Adventssonntag bis zum 24. Dezember wird dem Brauch nach die schwangere Maria nach dem Vorbild der für einen Tag eine Bleibe im eigenen Haus gegeben. Sie wird am 1. Advent mit einem Segensgebet in die Familien ausgesendet und dann von Familie zu Familie weitergegeben. Quelle: vgl. http://www.trachtenverband-bayern.de. abgerufen am 02.12.2019