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"Franzosenkrankheit"

Kolumne Heimatspitze

von Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler

In einer Zeit, in der die Angst vor infektiöser Ansteckung fast schon wieder mittelalterliche Züge annimmt, sei an einen „Gesellenaufstand“ der besonderen Art erinnert, über den die Münchner Stadtchronik im Jahr 1498 berichtet. Über hundert Gesellen aus München und Umgebung belagerten das einzige Bordell der Stadt, Frauenhaus genannt, um das Etablissement niederzubrennen, die entsprechenden Weibsbilder zu vertreiben und den „Frauenwirt“ zu erschlagen. Was war geschehen? Eine neue Seuche hatte sich breit gemacht und bei den Freiern Angst und Schrecken verbreitet – die „Franzosenkrankheit“, die Syphilis. Nur mit Einsatz von Bürgerwehr und Militär konnte der „Gesellenaufstand“ im Rotlichtmilieu zurückgedrängt werden. Dabei war das damalige Frauenhaus schon Ausdruck eines gewissen sozialen Fortschritts gewesen. Ursprünglich waren die Prostituierten im Haus des Stadthenkers untergebracht und diesem auch „unterstellt“, was immer das bedeuten mochte. Später beschloss der Rat der Stadt „zum Schutz der Frauen und Jungfrauen“ die Errichtung eines öffentlichen, städtischen Freudenhauses. In der Mühlgasse im Angerviertel (nota bene im heutigen Sperrbezirk!) wurde auf städtische Kosten ein Neubau mit zwölf Kammern geschaffen. Geistlichen, Juden und Ehemännern blieb der Eintritt – zumindest offiziell - verwehrt. Fast zweihundert Jahre funktionierte dieses Modell. Dann wurde das Haus Ende des 16. Jahrhunderts geschlossen, Prostitution und Ansteckungsgefahren aller Art aber blieben bestehen. So strömten zu Zeiten des Oktoberfests Jahr für Jahr Tausende von Prostituierte aller Herrn Länder nach München, um ihr gefühlechtes Geschäft zu betreiben. Dass daraus heuer nichts wird, hat seinerzeit nicht einmal die Franzosenkrankheit geschafft.