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„Hinhören und nichts vergessen“

München, den Datum: 29.01.2024

Das Kleine Theater Haar inszeniert Erinnerungskultur als theatrales Ereignis

Das Kleine Theater Haar erzählt mit dem Musical VILLA HAAR Ge­schich­te an dem Ort, an dem sie sich zugetragen hat. Die Eigenproduktion erzählt am Beispiel einer überlebenden Zeit­zeugin das Schicksal von Patien­tinnen und Patienten, die während der NS-Diktatur in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Haar ermordet wurden.

Theater-Szenenbild: Links: Zwei Männer mit weißen Kitteln haben neben sich eine Apparatur zur Verabreichung von Stromschlägen.
Rechts: Drei Frauen mit Zöpfen; zwei kauern und machen einen verzweifelten Eindruck, die dritte kniet dahinter und blickt in die Ferne. Die Lichtstimmung ist kalt.
Szenen aus VILLA HAAR: Pfleger mit einem Elektroschockgerät (links) und Patientinnen, die in der Heil- und Pflegeanstalt misshandelt wurden.

Die Premiere hat der Intendant des Kleinen Theaters, Matthias Riedel-Rüppel, bewusst auf den 18. Januar gelegt. An diesem Datum erfolgten im Jahr 1940 die ersten Deportationen von Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Haar-Eglfing in die NS-Tötungsanstalt ­Grafeneck. Das Musical basiert auf einer Idee Riedel-Rüppels, der auch Produzent ist. Musik und Text stammen aus der Feder des Komponisten Thomas Erich Killinger, inszeniert hat es der Regisseur Christian Peter Hauser.

„Uns geht es darum, den Opfern der NS-Diktatur ein Gesicht zu geben, zu erinnern und zu mahnen“, erzählt Riedel-Rüppel. Gefördert wird die Inszenierung unter anderem von der Gemeinde und der Bürgerstiftung Haar, den Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo), dem Bezirk Oberbayern und der Kulturstiftung Oberbayern. Fast 20.000 Euro hat Riedel-Rüppel innerhalb von zwei Jahren durch ein Crowdfunding eingeworben.

VILLA HAAR baut aus seiner Sicht eine Brücke zwischen Erinnerungskultur und Unterhaltung. Das Musical prägen nicht nur Drama und Schrecken, sondern auch heitere, besinnliche und durchaus verstörende Momente. „Auf unser Ensemble bin ich superstolz“, sagt Intendant Riedel-Rüppel. „Den Darstellenden gelingt es, Geschichte so zu erzählen, dass alle hingehören und nichts vergessen.“ Kurzum: Ein Musikerlebnis, das durch und durch geht. (cmy)

Hintergrund

Das Musical thematisiert den sogenannten Runderlass des NS-Regimes von 1939, mit dem der systematische Massenmord von tausenden Kindern mit Behinderungen begann. Wenig später folgte die Aktion T4, in deren Folge hunderttausende erwachsene Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen getötet wurden. Das Kleine Theater Haar, in dem das Stück aufgeführt wird, war 1912 als Gesellschaftshaus der Heil- und Pflegeanstalt Haar-Eglfing erbaut worden. Heute ist es im Besitz des Bezirks Oberbayern, der die Verantwortung für die Bühne dem kbo-Sozialpsychiatrischen Zentrum übertragen hat. Dieses gehört zum kbo-Isar-Amper-Klinikum, der Nachfolgeeinrichtung der Heil- und Pflegeanstalten.