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Wie es sich in einer „Klinik-WG“ arbeitet

München, den Datum: 26.03.2024

Seit einem Jahr unter einem Dach: kbo-Klinikum und RoMed-Klinik in Wasserburg

Nach knapp zehnjähriger Planungs- und Bauzeit wurde in Wasserburg am Inn im Dezember 2022 einer der größten Klinikneubauten Bayerns eröffnet. Das Besondere daran: Das kbo-Inn-Salzach-Klinikum und die RoMed-Klinik teilen sich seither ein Gebäude und ziehen daraus gegenseitigen Nutzen. Im Interview erklären Dr. Tobias Winkler, Chefarzt der Klinik für Neurologie am kbo-Inn-Salzach-Klinikum und Dr. Stephan Bayerl, Leiter der Zentralen Notaufnahme der RoMed-Klinik, wie sich die gemeinsame Arbeit durch die räumliche Nähe verändert hat.

Zwei Männer im Arztkittel
Arbeiten gut zusammen: Dr. Tobias Winkler, kbo-Chefarzt der Klinik für Neurologie (links) und Dr. Stephan Bayerl, RoMed-Leiter der Zentralen Notaufnahme.

Wie sah die Zusammenarbeit der Kliniken ohne die räumliche Nähe aus und wie ist es jetzt?
Dr. Winkler Unter den Fachdisziplinen bestand auch vorher eine sehr gute Zusammenarbeit. Wenn es aber zum Beispiel um Untersuchungen von Patientinnen und Patienten aus der RoMed ging, war in der Vergangenheit immer ein Krankentransport nötig. Das ist eine zusätzliche Belastung, manchmal sogar abschreckende Hürde. Jetzt sind die Kliniken Tür an Tür. Außerdem muss nicht mehr jede Klinik einen eigenen Computertomographen (CT) vorhalten, welcher ja für Notfälle rund um die Uhr einsatzbereit sein muss. In Zeiten des Fachkräftemangels werden so Personalressourcen sinnvoller als zuvor eingesetzt.

Dr. Bayerl Patientinnen und Patienten werden Doppeluntersuchungen erspart, weil CT- und Röntgenbilder in beide Kliniksysteme eingespielt werden können. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass jetzt klinikübergreifend mehrere Fachrichtungen zusammenkommen, gemeinsam Einblicke in die Krankenakte nehmen und miteinander die besten Optionen besprechen können. Ausdrucke und Postversand der Befunde wie Labor, Krankenverlauf und Arztbrief entfallen damit – und das spart ­richtig Zeit.

Was ist der größte Benefit für Patientinnen und Patienten?
Dr. Bayerl Ganz offiziell werden das kbo-Inn-Salzach-Klinikum und die RoMed-Klinik Wasserburg gegenüber der Rettungsleitstelle als eine interdisziplinäre Einheit dargestellt. Das heißt, in IVENA (Anmerkung der Redaktion: Die Abkürzung steht für „Interdisziplinärer Versorgungsnachweis“) sind wir als ein gemeinsam agierendes Krankenhaus abgebildet – meines Wissens deutschlandweit einzigartig! In diesem Onlinesystem können Krankenhäuser ihre Ressourcen eintragen und die Rettungsleitstellen finden ein freies Krankenhaus. Konkret heißt das, die Rettungsleitstelle kann die Ressourcen von RoMed wie Anästhesie und Innere Medizin und die Ressourcen von kbo wie die neurologische Versorgung quasi gemeinsam buchen. Für schwerstkrankte Patientinnen und Patienten, zum Beispiel mit einem Schlaganfall oder unklaren Bewusstseinsstörungen, heißt das, dass wir von kbo und RoMed zusammen beim CT oder Schockraum eintreffen, die Person vom Rettungsdienst übernehmen und uns ­gemeinsam um sie kümmern.

Dr. Winkler Das bedeutet für die Menschen in der Region, dass sie auch mit schwerwiegenderen Erkrankungen hier behandelt werden können, was zuvor die einzelnen Standorte für sich alleine nicht hätten leisten können.

Wie sieht es mit dem kollegialen Austausch untereinander aus?
Dr. Winkler Am gleichen Standort ist es viel unkomplizierter, der Austausch untereinander einfacher und vor allem viel persönlicher, weil man sich kennt. Diese neue Kollegialität macht uns allen sehr großen Spaß.

Dr. Bayerl Wir können jetzt zum Beispiel die gegenseitigen Besuche bei den Patientinnen und Patienten als sogenannte Konsil-Leistungen untereinander verrechnen. Und die sehr gute Zusammenarbeit zeigt sich auch darin, dass wir angefangen ­haben, gemeinsame Fortbildungen zu ­machen.

Welche weiteren positiven Entwicklungen fallen Ihnen auf?
Dr. Winkler Als großen Vorteil sehe ich, dass innerhalb des kbo-Inn-Salzach-Klinikums unsere Klinik für Neurologie jetzt auch räumlich mit einigen psychiatrischen Stationen verbunden ist. Dadurch rücken Neurologie und Psychiatrie auch im eigenen Klinikum noch näher zusammen. Wir waren zwar hier schon immer an einem Standort, aber unsere Schnittstellen sind durch die kurzen Wege nochmal einfacher geworden.

Dr. Bayerl Echt gelungen finde ich übrigens die lockere Atmosphäre der gemeinsamen Cafeteria. Mitarbeitende, Gäste, Patientinnen und Patienten – egal mit welcher Erkrankung – treffen aufeinander. Das trägt zur Entstigmatisierung bei.
(Interview: FA)