„Das Sichtbarmachen ist entscheidend“
München, den Datum: 26.03.2024Monika Bielan über ihre Patenschaft beim BR-Erinnerungsprojekt
Monika Bielan arbeitet im Referat 22 (Bereich Psychiatrie) und ist eine von 22 Patinnen und Paten aus dem Bezirk Oberbayern, die sich an dem BR-Erinnerungsprojekt "Die Rückkehr der Namen" beteiligen. Im Interview erzählt sie, warum sie – nicht zuletzt aus persönlichen Gründen – bei der Aktion mitmacht.
Frau Bielan, was hat Sie dazu bewegt, sich als Patin zur Verfügung zu stellen?
Monika Bielan Ich finde das Aufkommen rechter Gesinnungen in unserer Gesellschaft sehr schwierig und wollte mich schon länger engagieren. Als ich von dem Aufruf des Bezirksarchivs erfahren habe, fand ich das eine schöne Idee – auch weil ich weiß, dass der Bezirk dahintersteht. Außerdem habe ich einen persönlichen Bezug zu dem Thema. Mein Urgroßvater war Jude und ist im KZ ums Leben gekommen, und mein Großvater war ebenfalls im KZ, konnte aber fliehen. Wir haben also selbst Opfer des Nationalsozialismus in der Familie. Insofern war es mir ein besonderes Anliegen, mich zu beteiligen. Ich habe dann angefragt, ob ich ein Schild von meinem Urgroßvater zeigen kann. Leider ging das nicht, weil er nicht aus München kam. Deswegen werde ich jetzt ein Schild für ein anderes jüdisches Opfer hochhalten, stellvertretend für ihn.
Was wissen Sie über Ihren Urgroßvater?
Mein Urgroßvater und seine Familie haben in Zittau in Sachsen gelebt und hatten dort ein Bekleidungsgeschäft. Das wurde ihnen genommen und zerstört. Die Familie ist dann nach Warnsdorf geflohen. Von dort aus ist mein Urgroßvater allein nach Prag geflüchtet, weil es für ihn als Jude und damit auch für die Familie immer gefährlicher wurde. Er wurde von dort ins Arbeitslager Theresienstadt gebracht und kam dann mit Zug 307 ins KZ Auschwitz, von wo er nicht mehr zurückgekehrt ist. Mit dem letzten Zug, bevor die Alliierten das KZ befreit haben.
Und Ihr Großvater?
Mein Großvater war Regimegegner und wurde in ein Arbeitslager in der Region Kallich gebracht. Meine Großmutter war damals schwanger, und er hatte ihr versprochen: Wenn unser zweites Kind kommt – meine Mutter – bin ich wieder da. Er hat einen Ausgangsstempel gestohlen, ist geflohen und ungefähr 90 Kilometer zurück nach Prag gelaufen, wo er mit seiner Familie wohnte. Dort erfuhr er, dass meine Oma bereits im Krankenhaus war. Er ist sofort dorthin gegangen und hat miterlebt, wie meine Mutter am 8. Mai 1945 – dem Tag des Kriegsendes – zur Welt gekommen ist. Später hat er erfahren, dass das Arbeitslager in die Luft gesprengt wurde – kurz bevor die Russen kamen. Wenn er nicht geflohen wäre, wäre er dort umgekommen.
Wie haben diese Geschichten Ihre Familie geprägt?
Das Thema war in unserer Familie immer sehr präsent. Meine Uroma hat wenig darüber geredet, meine Oma schon. Sie hat ja als Kind eines Juden selbst Verfolgung und Diskriminierung erlebt. Zum Beispiel war sie in einer katholischen Schule, in der die Lehrer aus dem „Stürmer“ Judenwitze vorgelesen haben. Die ganze Klasse hat sie angeschaut und ausgelacht. Ich bin selbst nicht jüdisch, aber wenn ich in den Medien mitbekomme, wie es den Jüdinnen und Juden heute in Deutschland geht, dann stellen sich mir die Haare auf. Das ist wohl so etwas wie eine Mitbetroffenheit, ausgelöst durch die familiäre Trauer über den Urgroßvater. Ich denke, dass die Betroffenheit in unserer Familie besonders groß ist.
Was erhoffen Sie sich von dem Erinnerungsprojekt?
Entscheidend finde ich das Sichtbarmachen. Die Stimmen aus dem rechten Spektrum sind so laut und polternd, und die Mitte der Gesellschaft war lange Zeit so still und leise. Das hat sich mit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zum Glück geändert. Es fühlt sich einfach gut an, unter Menschen zu sein, die sich dagegen erheben und sagen: Nein, die Grenze nach rechts verschiebt sich nicht. Es ist nicht normal, rechte Sprüche zu klopfen. Und ein Nazi zu sein oder extrem rechts, ist nicht gesellschaftsfähig. Ich hoffe aber, dass sich die Mitte der Gesellschaft auch weiterhin sichtbar gegen rechts stellt. Deswegen möchte ich mit der Erinnerungsaktion Menschen ansprechen, die vielleicht nicht die Tagesschau sehen, sondern andere Medien nutzen und sich dort die Infos holen. Die werden dadurch auch einmal erreicht. Es gibt inzwischen so eine Zweiteilung in der Gesellschaft – wir erreichen uns gegenseitig nicht mehr. Das würde ich gerne ändern. (Interview: ug)
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Testimonials zum BR-Erinnerungsprojekt finden Sie auf dieser Seite:
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