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Zuckerhutmanufaktur und Archiv

Datum/ Uhrzeit:

Datum: 24.04.2021  bis Datum: 18.07.2021 

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Termine

24. April ‒ 18. Juli 2021: Ausstellungen
Öffnungszeiten: Di-Sa 14-19 Uhr, So+Fei 10-19 Uhr und nach Vereinbarung
Die Ausstellungsräume und das Café sind barrierefrei zu erreichen.
Bitte beachten Sie die gesetzlichen Vorschriften zur Pandemiebekämpfung und informieren Sie sich über die aktuellen Möglichkeiten eines Ausstellungsbesuch.

23. April, Freitag 19 Uhr: EXKLUSIV ONLINE im Livestream  VERNISSAGE
Eine Teilnahme vor Ort ist leider wegen der Pandemiesituation nicht möglich.
Begrüßung:
- Josef Mederer, Bezirkstagspräsident
Einführungen:
- Nina Vrbanová, Kunsthistorikerin, Bratislava, Kuratorin der Ausstellung Sugarloaf Manufacture and Archive
- Alexis Dworsky, Künstler, Freising, Kurator der Ausstellung Crossing Borders

1. Juni, Dienstag 17 Uhr: treffpunkt+kunst
Führung durch die Ausstellungen mit Alexandra M. Hoffmann*

13. Juni, Sonntag 16 Uhr: KUNST#TAG 077
Kunstgespräch mit Ilona Németh und Künstlern der Ausstellung Crossing Borders
ONLINE im Videopool und nach Möglichkeit vor Ort*

Terminänderung! NEU: 4. Juli, Sonntag 16 Uhr: KUNST#TAG 078
Vortrag von Edit András, Kunsthistorikerin, Budapest;
anschließend Kunstgespräch mit Ilona Németh und Edit András über das Projekt Eastern Sugar
ONLINE im Videopool und nach Möglichkeit vor Ort*

* Die Teilnahme ist wegen der gesetzlichen Pandemiebeschränkungen nur in beschränkter Zahl und nach persönlicher Anmeldung sowie Rückbestätigung möglich: info@schafhof-kuenstlerhaus.de.

 

Über die Ausstellung Zuckerhutmanufaktur und Archiv

Künstlerin: Ilona Németh (SK)

in Zusammenarbeit mit:
Marián Ravasz, Architektur
Olja Triaška Stefanović, Fotografie
Martina Slováková, Video

Kuratorin: Nina Vrbanová, Kunsthistorikerin, Bratislava

Das Projekt Eastern Sugar wird durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union kofinanziert.

Kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union

Weitere Unterstützende:

  • Visegrad Fund
  • ERSTE Stiftung

Überblick

Die Ausstellung findet im Rahmen des internationalen Kunstprojekts Eastern Sugar statt, das die Künstlerin Ilona Németh aus der Slowakei initiiert hat. An dem Vorhaben sind sechs Kunstinstitutionen aus sechs europäischen Ländern beteiligt und es ist durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union kofinanziert. Über zwei Jahre hinweg werden gemeinsam Projekte, Ausstellungen, Workshops und Recherchearbeiten organisiert. Im Schafhof, dem europäischen Künstlerhaus des Bezirks Oberbayern, erfolgt eine zweiteilige Präsentation.

Eastern Sugar ist ein internationales, interdisziplinäres Projekt der zeitgenössischen bildenden Kunst mit dem Fokus auf künstlerischer Forschung. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer 1989 soll das Projekt untersuchen, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die mitteleuropäischen Länder und Europa als solches hatten. Ilona Némeths Ausstellung im Tonnengewölbe des Schafhofs setzt sich aus zwei Teilen zusammen, der Zuckerhutmanufaktur und dem Archiv.

Die partizipative Installation Zuckerhutmanufaktur rekonstruiert Erinnerung über den Arbeitsprozess als eine grundlegende menschliche Aktivität. Die Vergangenheit wird symbolisch in die Gegenwart überführt und lässt die Arbeit tausender Angestellter der stillgelegten Zuckerfabriken im ehemaligen Ostblock wieder aufleben. Die Besuchenden können ihre eigenen Zuckerhüte herstellen und die Hälfte ihrer Produktion mit nach Hause nehmen.

Die interaktive Installation Archiv zeigt in der Form eines Depots den gegenwärtigen Zustand der Fabriken als Ruinen des Wildwest-
Kapitalismus’ der frühen 1990-er Jahre. Sie enthält Bilder der Zuckerfabriken in der Slowakei und Videos mit Schlüsselfiguren der Zuckerindustrie.

ARCHIV

Die geräumige interaktive Installation Archiv wurde in Zusammenarbeit mit dem Architekten Marián Ravasz realisiert. In der paradoxen Form eines Bilddepots kodiert sie das zeitgenössische Gesicht der Zuckerfabriken als runtergekommener Ruinen des wilden Kapitalismus. Das Paradox des Werks besteht in der Einbindung der augenscheinlich neutralen Form des Depotsystems, wie man es aus Institutionen der Erinnerung wie Museen oder Galerien kennt. Die Gegenwart und der gegenwärtige Zustand der Fabriken sind hier im musealen Archiv abgebildet und verweisen auf die Vergangenheit. In den einzelnen Schichten, die man symbolisch „aus dem Gedächtnis hervorholen kann“, sind aktuelle Fotoportraits fast aller Zuckerfabriken installiert (Überreste der Architektur sowie der Innenräume) auf dem Gebiet der Slowakei. Die Autorin hat zusammen mit der Fotografin Olja Triaška Stefanović die einzelnen „Tatorte“ und ihre individuellen Narrative erfasst und festgehalten. Von den ikonischen Aufnahmen der Fabrikschornsteine über die korrodierenden Skelette und wüste Felder bis zur großbürgerlichen Wohnräumen der damaligen unternehmerischen Kultur. Das Archiv ist eine Synthese Némeths langzeitiger Forschung ausgerichtet auf die Geschichte und den allmählichen Untergang der slowakischen Zuckerindustrie. Es rechnet mit den Schlüsselakteuren ab, dabei reflektiert es kritisch deren Rolle bei der Transformation nach der Revolution, die für ein breites Feld der Zuckerproduktion und des Zuckerhandels fatal war. Neben Fotografien wird das Archiv von einer Videointerview-Kollektion mit den Akteuren aus der Zuckerindustrie sowie von Videoessays gebildet in deren Konzeption und Produktion die Autorin Martina Slováková und Cukru production eingebunden hat.

ZUCKERHUTMANUFAKTUR

Die partizipative Installation Zuckerhutmanufaktur suggeriert einen Fabrikraum im kargen Lebensmittelindustriedesign. Die Autorin rekonstruiert auch hier das Gedächtnis mittels der fundamentalen menschlichen Aktivität, in diesem Fall durch die Arbeit. Die Installation ist dabei nicht nur der realen manuellen Arbeit gewidmet, sondern auch der mentalen Partizipation (Schichten des Erinnerns, der Einfühlung, Identifizierung usw.). In die „offene Werkstatt“, in der man eigenhändig Zuckerhüte herstellen kann und die Hälfte der Eigenproduktion von der Ausstellung als Souvenir oder als ein gewisses „Objekt der Erinnerung“ nach Hause mitnehmen kann, bindet die Autorin die Besucher, aber nach Möglichkeit auch Menschen mit einer persönlichen Geschichte und Erfahrung mit der Arbeit in einer Zuckerfabrik ein. Mittels der zeitweiligen Arbeitsaktivität schafft sie Raum für die Empathie des Zuschauers und gleichzeitig für die kritische Reflexion des Werteverlustes, den die Transformationsprozesse nach der Revolution sowie das globale politisch-wirtschaftliche Geschehen bewirkten. Die Folge war der allmähliche Untergang der Zuckerindustrie in der Region des ehemaligen Ostblocks (Verlust der Arbeit als sozialen und kulturellen Wertes). Die geräumige Installation, realisiert in Zusammenarbeit mit dem Architekten Marián Ravasz, wurde hier räumlich neu adaptiert und durch neue Objekte ergänzt. Sie verschiebt den Kontext der Galerie zu neuen engagierten und sozial involvierten Funktionen. Sie vergegenwärtigt symbolisch die Vergangenheit, aktiviert die Produktion und Arbeit, die tausende Angestellte der geschlossenen Zuckerfabriken verloren hatten.

VIDEOAUFNAHMEN – gemeinsame Annotation und Beschreibung

Die Kollektion von Videodokumenten, die die Autorin im Rahmen der Mittel der Postproduktion als Oral History konzipiert, bietet informativ schwerpunktmäßige und gleichzeitig visuell suggestive Erörterung des zentralen Themas – der Transformation der Zuckerindustrie nach dem Fall der Eisernen Mauer. Unter den Respondenten der Forschung befinden sich parallel die Akteure der Prozesse in unterschiedlichen Positionen: öffentliche Akteure, Direktoren oder profitierende Inverstoren, aber gleichzeitig auch Angestellte der ehemaligen Zuckerfabriken, die wiederum Arbeit und die damit verbundenen Beziehungen, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Werte verloren. Die Erinnerungen und das Erzählen der Akteure sind im Rahmen der visuellen Videokomposition mit der Realität der zerstörten und völlig runtergekommenen Unternehmen konfrontiert, die wir hier mittels authentischer Video- sowie Drohnenaufnahmen „live“ beobachten können. Speziell aus Anlass der Ausstellung in Schafhof erweitert die Autorin das Spektrum der Perspektiven und Sichtweisen auf das Thema im Kontext der neuen Grenzen zwischen dem Westen und Osten, die sich auf der Basis des Kapitalismus und der Marktregeln strukturierten. Neben unterschiedlichen Positionen kann man auch das besondere Maß des (Des)Interesses und der bequemen Interpretation der finalen Verantwortung wahrnehmen. Die ist völlig unpersönlich, zerschmelzt in den Prozessen der Privatisierung und Kapitalisierung, und im Finale auch in der Regulierung seitens der erträumten und ersehnten Europäischen Union. Der Untergang und Verlust finden hier keinen Schuldigen, „that’s life“ – wie Christian Laur behauptet. An der Videogestaltung beteiligte sich als Co-Editorin Dóra Rudas.