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Neuer therapeutischer Ansatz macht das private Umfeld zur Therapieeinrichtung

München, den Datum: 19.01.2023
Soziales

Kein Bruch zwischen Behandlung und Alltag

Seit gut einem Jahr bietet die kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen am Standort Peißenberg die Stationsäquivalente Behandlung (StäB) mit 20 Plätzen an. Wir sprachen mit einer Patientin über dieses neue Angebot und die Chancen, die der neue therapeutische Ansatz bietet.

Eine junge Frau und ein Kind sind von hinten abgebildet. Sie gehen einen Weg entlang. Sie begleitet eine Frau, die sich den beiden halb zuwendet.
Anna B. mit einem ihrer Söhne und ihrer Therapeutin Sabine Kühnel (links) bei einem Spaziergang (© kbo - Kliniken des Bezirks Oberbayern)

Frau B., Sie waren in einer StäB-Behandlung und sind inzwischen wieder gesund. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Anna B.
StäB war und ist ein ganz großer Glücksfall für mich. Seit ich in Behandlung durch das StäB-Team bin, fühle ich mich erstmals im Leben so richtig wohl.

Sie waren zuvor viele Jahre lang in ärztlicher und therapeutischer Behandlung?
Ja, wegen verschiedener Symptome. Trotz vieler Medikamente wurden sie nicht besser. Dann habe ich angefangen, mich zu verletzen. Ich ritzte mich und fügte mir auch Blutergüsse zu. Seit 2015 war ich in der kbo-Lech-Mangfall-Klinik in Peißenberg in Behandlung, mir ging es seitdem stetig besser. Man kam der Ursache meiner Probleme auf die Spur: Es waren traumatische Kindheitserlebnisse. Gemeinsam mit den Ärztinnen sowie Therapeuten begann ich mit der Aufarbeitung. Als wegen Corona die regelmäßigen Gespräche und Therapien nicht mehr engmaschig stattfanden, fiel ich wieder in ein tiefes Loch.

Sie waren wegen der Pandemie viel daheim mit ihrem Mann sowie ihren beiden gemeinsamen Söhnen?
Wir hatten Geldsorgen, ich fühlte mich mit allem stark überfordert und habe versucht, zu funktionieren, bis das Fass überlief. Dann empfahl mir mein behandelnder Arzt die Stationsäquivalente Behandlung.

Hier kommt das Ärzte- und Therapeuten­team täglich zu den Patientinnen und Patienten nach Hause.
Genau, für mich war das die Rettung. Jeden Tag kam eine Person aus dem ärztlichen, psychologischen oder therapeutischen Team der StäB für mindestens eine Stunde zu verschiedenen Uhrzeiten vorbei. Jede Person hatte ihre eigene Art, ihren Behandlungsstil, und von allen habe ich etwas anderes gelernt. Anfangs fühlte ich einen gewissen Druck: Ich habe den Haushalt einfach nicht geschafft und mich dafür geschämt. Doch das Team nahm mir alle Vorbehalte, und ich gewöhnte mich an die regelmäßigen Besuche. Ein großer Vorteil für mich lag darin, dass die Situation daheim gleich mit bearbeitet wurde. Es gab keinen Bruch mehr zwischen Behandlung und Alltag.

Wie verliefen denn die StäB-Sitzungen?
Ich konnte den Verlauf immer frei wählen, ob gemeinsames Einkaufen, Kochen, mit den Hunden vor die Tür gehen, Termine wahrnehmen oder einfach nur reden. Ich durfte es mir aussuchen. Erstmals in meinem Leben wurde nach meinen persönlichen Bedürfnissen und Wünschen gefragt. Ich habe mich sicher und aufgehoben gefühlt und gelernt, mit Alltagssituationen zurechtzukommen. Nach und nach ging es mir besser, ich habe mich relativ schnell unter dieser intensiven Betreuung stabilisiert. Dass auch meine Kinder und die Hunde in die Behandlung integriert worden sind, war sehr wichtig und hilfreich.

Können Sie Beispiele des Fortschritts nennen?
Vor der StäB-Behandlung habe ich es kaum geschafft, mal vor die Tür zu gehen. Meine zwei Hunde mussten immer im Kreis laufen. Heute sind längere Märsche möglich. Ich kann wieder allein in den Ort gehen. Ich bin selbständig geworden, habe gelernt, Prioritäten zu setzen und Vorhaben durchzuziehen. Ich bin endlich bei mir und im Hier und Jetzt angekommen (strahlt) (Interview: Barbara Falkenberg)

Stationsäquivalente Behandlung

Die kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen bietet die Stationsäquivalente Behandlung für den Landkreis Weilheim-Schongau mit 20 Plätzen an. Ziel ist es, dem wachsenden Bedarf nach wohnortnaher, stationärer Versorgung gerecht zu werden. Die entscheidenden Voraussetzungen sind, dass sich das Behandlungsziel am ehesten im häuslichen Umfeld erreichen lässt und die Behandlung von diesem Umfeld auch unterstützt wird. Diese Form der Behandlung im häuslichen Umfeld entspricht der Flexibilität und Komplexität einer vollstationären Behandlung. Regression, die die Krankheit aufrechterhält und ein bekanntes Phänomen bei vollstationären Behandlungen ist, lassen sich so vermeiden.