Ein Gedächtnis für Oberbayern
Das Arbeitsgebiet Archiv des ZeMuLi stellt sich vor
Was macht eigentlich das Archiv im ZeMuLi? Früher war doch das ganze Haus „das Volksmusikarchiv“: Wo ist jetzt das Archiv und gehört es
eigentlich noch zur Volksmusik? Was passiert gerade im Archiv des ZeMuLi, und wer kann das Archiv überhaupt nutzen?
Diese und ähnliche Fragen haben wir in den letzten Jahren oft beantwortet. Aus diesem Grund stellen wir Ihnen hier die Mitarbeiterinnen des Archivs und unsere Arbeit vor. Ganz allgemein gesagt ist ein Archiv ein Ort, an dem Unterlagen bewahrt werden, die für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr unmittelbar benötigt werden, darüber hinaus aber einen besonderen Wert haben. Die zentralen Aufgaben eines Archivs sind die Aufnahme, Verzeichnung und Erschließung der Bestände. Darüber hinaus sollen die erschlossenen Bestände der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden: durch Einsichtnahme vor Ort und idealer weise auch digital im Internet. Und nicht zuletzt liegt im Verantwortungsbereich des Archivs auch der Erhalt der ihm anvertrauten Bestände. Dies geschieht durch sachgemäße Lagerung und sorgfältigen Umgang, durch Maßnahmen der präventiven Konservierung und – wenn nötig – durch Restaurierung.
Was unterscheidet nun das Archiv des ZeMuLi vom Volksmusikarchiv?
Das Haus in Bruckmühl unter der Leitung des langjährigen Volksmusikpflegers Ernst Schusser war bekannt unter der Bezeichnung Volksmusikarchiv.
Der offizielle Name war jedoch ein anderer, nämlich Fachberatung für Volksmusikpflege und Volksmusikarchiv. Es wurde nur immer verkürzt vom Volksmusikarchiv (VMA) gesprochen. Der Fokus der Arbeit lag in den vergangenen 35 Jahren vor allem
im volksmusikpflegerischen Bereich, auf Veranstaltungen und Veröffentlichungen – hier wurde mit viel Einsatz und Engagement gearbeitet. Die Bestände von Archiv und Bibliothek hingegen wurden zwar gesammelt, aber nur ansatzweise erschlossen und verzeichnet. Sie wurden vor allem für eigene Veranstaltungen und Veröffentlichungen genutzt. Auch war über einen langen Zeitraum kein archivarisches oder bibliothekarisches Fachpersonal angestellt. Im Rahmen der Neukonzeption, also des Wandels vom VMA zum ZeMuLi, wurden die vier Säulen Volksmusik, Literatur, Popularmusik und Archiv gebildet. Das Archiv, zu dem auch die Bibliothek gehört, sammelt und erschließt Bestände aus drei Themenbereichen: Neben der Volksmusik gehören nun auch die oberbayerische Literatur und die regionale Popularmusik dazu.
Was geschieht derzeit im Archiv des ZeMuLi?
Sehr viel, allerdings das meiste hinter den Kulissen. Damit Archivalien auffindbar sind und Sammlungen und Nachlässe eingesehen werden können, müssen die Bestände erschlossen und verzeichnet sein. Erschließen bedeutet, dass wir jeden unserer Bestände in eine nachvollziehbare Gliederung bringen, entweder indem wir eine vorhandene Gliederung prüfen und ggf. anpassen oder eine neue Gliederung entwickeln. Meistens werden Archivalien dabei in Werke, Korrespondenzen,
Lebensdokumente und Sammlungen unterteilt. Dabei nehmen wir jedes einzelne Blatt eines Bestands in die Hand, entziffern Handschriften (auch solche, die heute nicht mehr gebräuchlich sind wie beispielsweise Sütterlin), ordnen Fragmente von
Werken in den Gesamtzusammenhang ein und erforschen, welche Personen auf Fotos abgebildet sind. Das Erschließen eines umfangreichen Nachlasses kann viele Monate dauern. Im Zuge der Erschließung verpacken wir die Materialien in alterungsbeständige, säurefreie und basisch gepufferte Mappen und Schachteln und entfernen Metall wie Büro- und andere Klammern, die Rostschäden am Papier verursachen. Da das schönste Ordnungssystem aber nichts bringt, wenn man nicht auch recherchieren kann, müssen die Briefe, Dokumente und anderen Archivalien verzeichnet werden. Früher gab es dafür analoge Findbücher, inzwischen verzeichnet man in digitalen Datenbanken. Unsere alte Datenbank im Haus stammt aus den 1980er Jahren und ist für die Verzeichnung von Archivalien und Bibliotheksbeständen nur sehr eingeschränkt geeignet. Deshalb wird derzeit eine neue Archivdatenbank eingerichtet. Näheres dazu konnten Sie im ZeMuLi-Magazin 4/2022 lesen.
Wie kann man das Archiv derzeit nutzen?
Momentan leider nur sehr eingeschränkt, denn unerschlossene Bestände können aus rechtlichen und konservatorischen Gründen nicht vorgelegt werden. Deshalb stecken wir einen Großteil unserer Zeit und Energie in die langwierige Erschließung der Bestände und den Aufbau von Archivstrukturen. Wir freuen uns schon, künftig der Öffentlichkeit unsere Archiv- und Bibliotheksbestände zur Verfügung stellen zu können und damit die Forschung an oberbayerischen Inhalten zu ermöglichen.
Denn das Archiv im ZeMuLi hat überaus spannende Nachlässe zu zeigen: Von Edi Kiem und dem Kiem Pauli über Annette Thoma bis hin zu Karl und Grete Horak. Für die Musikwissenschaft bedeutet die Erschließung der Bestände am ZeMuLi einen Meilenstein in der Zugänglichmachung von originalen Materialien. Um diese vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können, arbeiten im Archiv des ZeMuLi derzeit neben der Archivleitung drei Mitarbeiterinnen, die ihr Fachwissen und ihre Berufserfahrung einbringen.
Als Leitzachtalerin liegt Verena Wittmann die oberbayerische Kultur am Herzen. An ihr Geschichts- und Germanistikstudium hat sie ein zweijähriges Volontariat im Schallarchiv des Bayerischen Rundfunks angehängt, zu dem auch eine postgraduale Ausbildung zur Wissenschaftlichen Dokumentarin an der Fachhochschule Potsdam gehörte. Nach gut anderthalb Jahren als freie Mitarbeiterin im Rundfunkarchiv wechselte sie zur Monacensia, dem Literaturarchiv der Landeshauptstadt München. Seit 2019 leitet sie das Archiv des ZeMuLi und ist für den Umbau der bestehenden Volksmusik-Sammlung in ein professionelles Archiv, den Aufbau eines Sammlungsbestands für die oberbayerische Literatur und Popularmusik und die Schaffung einer Oberbayernbibliothek verantwortlich
Eva Pöhlmann ist als langjährige Mitarbeiterin das unverzichtbare „Gedächtnis“ des Hauses, wenn wir etwas suchen oder Fragen auftauchen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Fotografin und hat zunächst in Bad Aibling in ihrem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Nach ihrem Wechsel als Filialleiterin nach Bruckmühl war der Weg zum Bezirk Oberbayern fast geschafft. Zunächst arbeitete sie ab 1999, dem Jahr, in dem das ehemalige Volksmusikarchiv ins jetzige Gebäude einzog, in der Fotoabteilung. Seit 2003 ist Eva Pöhlmann als festangestellte Mitarbeiterin für die Fotosammlung zuständig, berät bei Digitalisierungsprojekten und setzt diese um. Sie dokumentiert Volksmusik- und Brauchtumsveranstaltungen mit Foto und Video, arbeitet bei Veröffentlichungen mit und ist allgemein für die Archivierung des historischen und neuen Bildbestands zuständig.
Seit September 2022 ist Ina Rupprecht als festangestellte Mitarbeiterin im Archiv des ZeMuLi tätig. Ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammend, hat sie sich der Volksmusik mit einem Umweg über Skandinavien angenähert. Als
Musikwissenschaftlerin unterstützt sie das Archiv auf dem Weg zur neuen Datenbank und bei sämtlichen Aufgaben, die die Arbeit in Archiv und Bibliothek des ZeMuLi tagtäglich mit sich bringt. Ina Rupprecht ist für die Erschließung von Nachlässen und Sammlungen zuständig und wird im Jahr 2023 als Herkulesaufgabe den äußerst interessanten Nachlass Karl und Grete Horaks erschließen.
Dr. Theresia Schusser hatte zunächst eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Sie begann 2009 ihre Tätigkeit beim damaligen Volksmusikarchiv, seit 2016 ist sie bei uns fest angestellt. Als Historikerin ist sie unter anderem zuständig für die Erschließung von Nachlässen, Sammlungen und textlichen Überlieferungen sowie die Untersuchung von historischen Tonträgern. Zu ihren Projekten gehören Ausstellungen wie zuletzt die Schau Zither-Größen. Ein Instrument setzt sich durch 2022 im Forum Heimat und Kultur in Benediktbeuern; die Betreuung der Liedhandschriftendokumentation
und die Kooperation mit dem Portal bavarikon zum Thema Oktoberfestklänge auf historischen Tonträgern.