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Architektur, die heilt – Juli

Im Vordergrund steht eine große runde Schaukel. Dahinter steht ein zweistöckiges Haus mit Flachdach. Die Fassade ist mit länglichen vertikalen Lamellen in verschiedenen Graustufen.
Foto: Florian Holzherr © H2M Architekten

Kann Architektur bei der Genesung helfen? Diese Frage stellte sich 1984 der texanische Architekturprofessor Roger S. Ulrich. In einer Studie zeigte er, dass Patientinnen und Patienten nach einer Operation schneller gesund wurden, wenn ihr Blick durchs Krankenhausfenster in eine grüne Umgebung fiel. Seither sucht man in der Architektur nach Möglichkeiten, um durch Gestaltung die Genesung zu fördern. Unter dem Schlagwort „Healing architecture“ werden Konzepte entwickelt, um durch Tageslicht, Ausblicke, Farben, Materialien und Raumklima das Wohlbefinden zu steigern.

Viel Licht und ein geschütztes Umfeld

Prinzipien der Healing architecture kamen auch bei der Gestaltung der neuen Kinder- und Jugendpsychiatrie des kbo-Heckscher-Klinikums zum Einsatz, die 2019 in Haar eröffnet wurde. Licht, Natur und Bewegung sollen Kindern und Jugendlichen helfen, ihre psychischen Probleme besser in den Griff bekommen. Das Zentrum für Autismus und Störungen der sprachlichen und geistigen Entwicklung im Kinder- und Jugendalter ist spezialisiert auf die frühe Diagnostik und Therapie von Entwicklungsstörungen und Behinderungen. Fachleute aus Medizin, Psychologie und Therapie arbeiten hier unter einem Dach. Der Neubau war nötig geworden, da dringend neu Behandlungsmöglichkeiten für junge Patientinnen und Patienten gebraucht werden. Im Stammhaus des kbo-Heckscher-Klinikums in München-Giesing konnte man die wachsende Zahl an Fällen schon lange nicht mehr bewältigen. So kam es zu der Entscheidung, auf dem Gelände des kbo-Isar-Amper-Klinikums in Haar eine neue, spezialisierte Einrichtung zu bauen.

Ein heller Raum mit weißen Wänden und grünen Boden. In der Mitte steht ein weißer Tisch mit drei weißen Stühlen. Rechts im Eck steht ein schmaler Schrank. Links und hinten im Raum sind zwei große quadratische Fenster.
Foto: Florian Holzherr © H2M Architekten

Auf einem weitläufigen, von einem Park umgebenen Grundstück entstand ein zweigeschossiger Bau, der mehrere Angebote umfasst: eine Tagesklinik für Kinder im Kleinkind-, Vorschul-und Grundschulalter, eine beschützend geschlossen geführte Station für Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen und eine weitere Station mit integrierter Schule für geistig behinderte und in ihrer Entwicklung verzögerte Grundschulkinder. Der Neubau wurde auf dem Fundament einer Wäscherei errichtet, die zur ursprünglichen Klinik gehörte. Das Gebäude selbst soll an ein schlichtes Holzhaus erinnern. Großflächige Fenster, Terrassen und ein Innenhof öffnen es nach außen. Der Bau bietet nicht nur viel Licht und Bewegungsmöglichketen, sondern auch ein geschütztes Umfeld. Die Kinder und Jugendlichen können drinnen und draußen aktiv sein – unter Aufsicht, aber auch alleine. Eine besondere Rolle spielt der angrenzende Park, der mit seinen alten Bäumen zum Bewegen und zum Ausruhen einlädt. Grün ist aber nicht nur die Umgebung. Wegen seiner umwelt- und ressourcenschonenden Bauweise wurde das Gebäude im Rahmen einer Initiative des Bayerischen Gesundheitsministeriums als „Green Hospital“ ausgezeichnet. Geheizt wird mit einer Holzpellet-Anlage, eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach sorgt für Strom.

Positive Impulse

Für die Münchner Architekturprofessorin Christine Nickl-Weller, in Deutschland eine Instanz auf dem Gebiet der Healing Architecture, ist Architektur keine anonyme Angelegenheit: „Sie ist von Menschen für Menschen gemacht und tritt in Interaktion mit dem Menschen, indem sie seine Sinne anspricht und ein positives oder negatives Befinden hervorrufen kann.“ In Haar hofft man jedenfalls auf eine positive Wirkung, zum Wohl der jungen Patientinnen und Patienten.