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Fischer statt Pförtner – Mai

In der Mitte steht ein weißes Haus mit Spitzdach und grünen Fensterläden. Der Eingang ist mit einem Rundbogen gestaltet.
Foto: Michael Heinrich © Bezirk Oberbayern
Wer die Wohnanlage Jugendstilpark in Haar betritt, wird von zwei stilvollen historischen Gebäuden empfangen. Zur Linken das Kleine Theater Haar und zur Rechten ein villenartiges Haus aus derselben Epoche, in dem die Fischereifachberatung des Bezirks Oberbayern ihren Sitz hat. Zwei Häuser mit wechselvoller Geschichte: 1912 waren sie als Teil der Oberbayerischen Kreisirrenanstalt Haar entstanden, eine Erweiterung der Nervenheilanstalt in Eglfing. Die heutige Fischereifachberatung war das Pförtnerhaus, von dem alle empfangen wurden, die den Weg in die Anstalt antraten. Kein leichter Gang. Denn auf der einen Seite präsentierte sich die Kreisirrenanstalt Haar damals durchaus modern mit Einrichtungen zur Selbstversorgung, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kranken, großzügigen Grünflächen und Gesellschaftshaus. Andererseits wartete auf die Ankömmlinge das Schicksal aller psychisch Kranken dieser Zeit: Verwahrung statt Therapie, riesige Schlafsäle ohne Privatsphäre und oft eine brachiale Behandlung mit Dauerbädern, Fixierungen oder Elektroschocks. Bis hin zum dunkelsten Kapitel des Krankenhauses im Nationalsozialismus, als während der sogenannten Euthanasie über 2 000 Menschen ermordet wurden.

Endlich angekommen

Von all dem ist heute – abgesehen von einer Gedenkstätte für die Opfer der „Euthanasie“ und einem Psychiatriemuseum – nichts mehr zu sehen. Aus der Kreisirrenanstalt und dem späteren Bezirkskrankenhaus Haar wurde das kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost: eine moderne Klinik mit zeitgemäßer Therapie. Da wegen der Dezentralisierung der Psychiatrie viele Behandlungsstätten verlegt wurden, war der Weg frei für die Umwandlung des früheren Klinikgeländes „Haar II“ in den heutigen Jugendstilpark. Und aus dem früheren Pförtnerhaus wurde die neue Heimat der Fachberatung für Fischerei.Diese Einrichtung des Bezirks Oberbayern ist nach fünf Umzügen in dreißig Jahren nun endlich angekommen.
Ein großes Haus mit roten Dachziegeln und einem eckigen Turm mit einer dunkelbraunen Holztür.
Foto: Michael Heinrich © Bezirk Oberbayern
Das unstete Dasein hatte einen einfachen Grund: Aus dem früheren Ein-Mann-Betrieb war im Laufe der Zeit aufgrund wachsender Aufgaben ein immer größeres Team geworden. Heute erstreckt sich das Angebot von der Beratung der oberbayerischen Fischereibetriebe über den Fischartenschutz und Informationen zur Angelfischerei bis hin zur Hilfe bei Fragen der Gewässerpflege. Der frühere Fischereidirektor Dr. Ulrich Wunner zeigte sich bei der Eröffnung des Hauses 2015 erleichtert, „ein Domizil gefunden zu haben, welches alle Wünsche und Anforderungen erfüllt“.

Historischer Gesamteindruck vor reiner Rekonstruktion

Das Baureferat des Bezirks Oberbayern stand vor der Herausforderung, ein Haus zu renovieren, das durch Leerstand und Umbauten stark gelitten hatte. Aus dem denkmalgeschützten Gebäude sollte wieder ein echtes Schmuckstück werden, zeitgemäß gestaltet, nutzerfreundlich und energetisch auf dem neuesten Stand. Dabei war es den Fachleuten wichtig, die Eingriffe in die Bausubstanz so klein wie möglich zu halten. Ziel war, die vorhandenen historischen Elemente zu erhalten und sie harmonisch mit den neuen Bauteilen zu verbinden. Nach dem Motto: historischer Gesamteindruck vor reiner Rekonstruktion. So wurden beispielsweise die Einfachfenster durch Sprossenfenster mit Dreifach-Verglasung ersetzt, die dem Haus nicht nur sein ursprüngliches Gepräge zurückgeben, sondern auch Energie sparen.


Die Mühe hat sich gelohnt. Bei der Eröffnung lobte Ulrich Wunner die „hervorragend gelungene Renovierung dieses wunderschönen Jugendstilbaus“. Und die Fischereifachberatung hat endlich einen ruhigen Hafen gefunden.