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Der Weg ist das Ziel - Juni

An den Bäumen einer Allee hängen einzelne blau-weiße Schilder mit den Buchstaben T, H und E.
Kunst, soweit man blicken kann - hier auf dem Weg entlang der Straße, die zum Schafhof, dem Europäischen Künstlerhaus des Bezirks Oberbayern führt. (© Csongor G. Szigeti)

Wer sich auf den Weg zum Schafhof, dem Europäischen Künstlerhaus Oberbayern auf einem Hügel hoch über Freising begibt, macht auf der Zufahrt von der Wippenhauser Straße aus eine seltsame Entdeckung: Aus dem Blätterdickicht der Bäume neben der Straße tauchen plötzlich blaue Tafeln mit weißen Buchstaben auf. Was auf den ersten Blick wie Verkehrszeichen erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Botschaft an die Vorbeikommenden. Buchstabe für Buchstabe formt sich der Satz: „The process is the product“ – Der Weg ist das Ziel. Und man ahnt: Hier ist Kunst im Spiel.

Tatsächlich handelt es sich um ein Werk des ungarischen Künstlers Csongor G. Szigeti, der damit den Prozess des kreativen Schaffens reflektieren möchte. „Kunstintervention“ nennt sich diese Form des künstlerischen Eingriffs in den öffentlichen Raum. Entstanden ist die Installation im Rahmen des Projekts „FreiFarben“, bei dem im Jahr 2013 oberbayerische und europäische Kunstschaffende für einen Monat am Schafhof arbeiteten und Outdoor-Projekte entwickelten. Es waren die ersten Kunstwerke des Skulpturengartens, der seitdem im Lauf der Jahre rund um das Europäische Künstlerhaus des Bezirks Oberbayern gewachsen ist – und immer noch wächst. Die Skulpturen, Installationen und Wand- und Bodenarbeiten sind das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Schafhof, seiner Natur und seiner Geschichte. Sie greifen in die Umgebung ein und stellen gewohnte Sehweisen in Frage.

Der Skulpturengarten spiegelt den steten Wandel, in dem sich der Schafhof befindet, und zeigt dessen besonderen Charakter: als Ausstellungsort ebenso wie als Platz, an dem Kunst auf internationalem Niveau entsteht. Grundlage dafür ist das Europäische Kunststipendium des Bezirks Oberbayern. Künstlerinnen und Künstler aus dem europäischen Ausland haben damit die Möglichkeit, jeweils für ein bis drei Monate im Schafhof zu leben und zu arbeiten. Im Gegenzug nimmt die gleiche Anzahl oberbayerischer Künstlerinnen und Künstler an einem entsprechenden Aufenthalt in den Partnerländern teil. Auf diese Weise hat sich der Schafhof mittlerweile als europäisches Zentrum für zeitgenössische Kunst etabliert und ist zugleich immer in Bewegung – eine wichtige Voraussetzung, um attraktiv zu bleiben. So lockt inzwischen neben dem Skulpturengarten ein durchgängiges Ausstellungsprogramm das Publikum nach Freising. Und eine flexiblere Struktur beim Austauschprogramm sorgt dafür, dass mittlerweile wesentlich mehr Partnerländer und –institutionen teilnehmen.

Verlangsamt wurde der Höhenflug der vergangenen Jahre erst durch die Corona-Pandemie. Schafhof-Leiter Eike Berg nahm diese aber kurzerhand zum Anlass, um das Künstlerhaus auch digital ins Gespräch zu bringen: mit einem vielschichtigen Online-Programm, das er auch in Zukunft anbieten möchte. In seinen Augen eine wichtige Ergänzung für die Kunstpräsentation vor Ort und ein Angebot, von dem gerade auch Menschen mit Behinderungen profitieren. „Wir müssen uns immer wieder der eigenen Situation vergewissern, müssen die Möglichkeiten ausloten, um die vorgegebenen Aufgaben und Ziele zu erreichen und entsprechend unseren Weg anpassen“, erklärt Eike Berg. Oder anders gesagt: „The process ist the product.“