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Den Opfern ihren Namen geben

Gedenkbuch für die Münchner „Euthanasie“-Opfer erschienen


Mehr als 2000 Patienten und Patientinnen sind zwischen 1940 und 1944 in der Heil-und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ermordet worden. In einem Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Morde“ sind nun erstmals alle Namen der Patienten und Patientinnen aus Eglfing-Haar aufgelistet.


Ein kleines Mädchen, das auf vielen Fotos aus Omas Kindheit zu sehen ist, aber in der Verwandtschaft nicht thematisiert wird. Ein Name, der auf dem Familiengrabstein eingemeißelt ist, aber nie erwähnt wird. Solche Ungereimtheiten in der eigenen Familiengeschichte sind es, die Enkel, Cousins oder andere Verwandte auf den Plan rufen, nachzuforschen und nachzubohren.

Mehr als 2000 Patienten und Patientinnen sind in der Zeit zwischen 1940 und 1944 in der Heil-und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ermordet worden. Viele davon sind in Vergessenheit geraten, weil ihr Leben und ihr gewaltsamer Tod auch in der eigenen Familie nicht mehr angesprochen wurden. Sie sind das dunkle Familiengeheimnis, auf das man nur durch Zufall stößt. Auch die psychiatrischen Kliniken selbst haben dieses Kapitel ihrer Geschichte bisher nur unzureichend aufgearbeitet, obwohl es natürlich in jeder Einrichtung Mahnmale und Gedenkveranstaltungen gibt.

Cover Gedenkbuch: Fotografie einer jungen Frau.
© Wallstein Verlag

Im „Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Morde“, das vor wenigen Wochen erschienen ist, sind nun erstmals alle Namen der Patienten und Patientinnen aus Eglfing-Haar (der Vorläufereinrichtung des jetzigen kbo-Isar-Amper-Klinikums München-Ost) aufgelistet, die im Rahmen der sogenannten Euthanasie ermordet wurden – entweder durch Verlegung in die Vernichtungsanstalt Hartheim bei Linz oder durch gezielte Mangelernährung, die sogenannte Hungerkost. Das Buch wurde von der Arbeitsgruppe „Psychiatrie und Fürsorge im Nationalsozialismus in München“ erarbeitet und gemeinsam vom Bezirk Oberbayern und dem NS-Dokumentationszentrum herausgegeben.

Von Anfang an war die Notwendigkeit dieses Buchprojekts unumstritten, aber bei der Frage, ob die Opfer mit ihrem vollen Namen genannt werden sollten, gingen die Meinungen lange Zeit auseinander. „Diskussionsbedarf hatten wir aus unserer Sicht als Klinikträger und als Hüter des Archivs mit den damaligen Patientenakten nur, inwieweit die Persönlichkeitsrechte der Patienten und etwaiger Nachkommen gewahrt werden müssen“, schreibt Bezirkstagspräsident Josef Mederer in seinem Vorwort. Manche Nachfahren möchten auch heute nicht mit der Erkrankung ihres Verwandten konfrontiert werden. Dem gegenüber steht die klare Forderung, die Opfer dem Vergessen zu entreißen und ihnen einen Namen und, wenn möglich, auch ein Gesicht zu geben. Im Gedenkbuch sind nun alle Ermordeten mit Namen Geburtsdatum und -ort sowie mit ihrem Sterbedatum aufgeführt.

Dem Münchner Vorreiter folgend möchte der Bezirk Oberbayern auch ein Gedenkbuch herausgeben, das die weiteren oberbayerischen Opfer dokumentiert und würdigt.

Das Gedenkbuch ist beim Bezirks Oberbayern erhältlich: kommunikation@bezirk-oberbayern.de

09.08.2018