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Im Gespräch

München, den Datum: 15.06.2020
Ausstellungen

Ausstellung "Teilhabe" läuft bis Ende September 

Monatelang mussten die Werke von Sinan von Stietencron und Monika Supé in der Galerie des Bezirks Oberbayern auf „echte“ Besucherinnen und Besucher warten: Kurz vor der Vernissage wurde die Galerie wegen Corona geschlossen. Seit 27. Juli kann die Ausstellung mit dem Titel „Teilhabe“ nun erstmalig in der Galerie besichtigt werden. Wir stellen sie im Interview vor.

Die Ausstellung trägt den Titel „Teilhabe“. Welches Konzept steckt für Sie beide dahinter?
Sinan von Stietencron: Für uns steht der Begriff „Teilhabe“ in zweierlei Hinsicht für die Ausstellung: Zum einen braucht ein Kunstwerk Teilhabe, also echte Interaktion mit den Betrachtenden, um überhaupt als solches wahrgenommen zu werden. Zum anderen wollten wir eine Ausstellung konzipieren, bei der die Besucherinnen und Besucher auf möglichst vielfältige Weise selbst aktiv werden können. Das kommt dem inklusiven Konzept der Galerie entgegen.

Wie funktioniert das?
Monika Supé: Unsere gemeinsame Arbeit „Prozess-Ontologie #2.03“ ist interaktiv angelegt. Die Besucherinnen und Besucher können zunächst meine rund elf Quadratmeter große Zeichnung aus weißem Sand auf schwarzem Untergrund verändern. Dafür liegen große Pinsel bereit. Die Zeichnung mit dem Namen „Ist Zeit linear?“ zeigt eine aus Sand gestreute Linie, die – ähnlich einem Strickstück – ein Maschenwerk darstellt. Die Veränderung der Sand-Zeichnung wird kontinuierlich über eine Kamera festgehalten, die sie in eine Video-Installation von Sinan von Stietencron einspeist. In dieser Installation steuern die Besuchenden die Wiedergabe der gefilmten Aufzeichnung über ihre Körperbewegung. So tauchen sie in die Vergangenheit ein, scrollen darin gewissermaßen vor und zurück. Sie können dabei entweder dem Bild oder dem unterlegten tiefen Cello-Ton folgen, der an- und abschwillt. So wird das Geschehen auch für nicht sehende Menschen erlebbar. Gehörlose wiederum können die Vibrationen über den Boden spüren.

Was ist neben dem zentralen Gemeinschaftswerk ausgestellt?
Sinan von Stietencron: Ich zeige einen Querschnitt meines Portfolios. Dazu gehört die Serie der Drahtporträts, die alle mehrere Gesichtsausdrücke in sich tragen. Betrachtet man ein Gesicht von der Seite, löst es sich auf oder wirft einen Schatten. Für mich sind diese 2,5D-Zeichnungen – also nicht 2D, aber auch nicht 3D – ein Bild für den menschlichen Charakter. Oft denken wir, wir kennen jemanden, aber dann nehmen wir eine andere Perspektive ein und stellen fest, dass unser Bild der Person sich vor unseren Augen auflöst. Daneben zeige ich mit der „Utopienmaschine III“ eine weitere interaktive Arbeit. Sie besteht aus Teilen kaputter Fahrräder und bewegt sich nur, wenn sich die Besuchenden auch bewegen. Man muss sie also wippend oder tanzend betrachten.

Monika Supé: Meine Arbeiten zeigen das Verhältnis des Menschen zu Raum und Zeit. Aus der Architektur kommend „denke“ ich oft in Linien. So verwende ich Draht als Linie im Raum. Häufig verhäkle ich ihn zu hüllenartigen, durchscheinenden Gebilden, an denen sich die Grenzen vom Raum zum Körper ausloten lassen. Einige dieser Hüllen sind so angelegt, dass der Mensch hineinschlüpfen kann, zum Beispiel die Arbeiten aus der Serie „Kopfmäntel“ oder die im Durchmesser circa drei Meter große „Ummantelung“.

Wie sind Sie beide damit umgegangen, dass die Galerie so lange geschlossen bleiben musste?
Sinan von Stietencron: Natürlich war es für uns traurig. Aber es gab trotzdem viel zu tun: Wir haben gemeinsam mit einem Fotografen die Ausstellung digitalisiert. Das Ergebnis ist auf meiner Webseite zu sehen (www.vonstietencron.de/teilhabe). Da die Ausstellungszeit genau in die Zeit des Lockdowns gefallen ist, war das besonders wichtig. Umso mehr haben wir uns über die Verlängerung der Schau bis Ende September gefreut und hoffen, dass sie sich in den kommenden Wochen noch viele die „in echt“ ansehen.

Monika Supé: Aufgrund der Pandemie können leider keine Führungen mit dem sonst üblichen inklusiven Programm stattfinden. Die einstündige Online-Führung wurde jedoch simultan in Gebärdensprache übersetzt. Dadurch konnten auch Gehörlose dabei sein und über den Chat Fragen stellen. Auch jetzt noch kann die Online-Führung inklusiv besucht werden.

Sinan von Stietencron:

  • lebt und arbeitet im Raum München
  • aktiv in Kunst und Philosophie
  • Referent der Stiftung Nantesbuch, Kunst und Natur, Bad Heilbrunn
  • Projektleiter an der Akademie für Philosophische Bildung und WerteDialog, München
  • 2006-2014 Studium an der Akademie der Bildenden Künste München und an der Hochschule für Philosophie München www.vonstietencron.de/sinan

Monika Supé:

  • lebt und arbeitet im Raum München
  • Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland
  • 2010-11 Professur für Raumgestaltung an der Akademie für Mode und Design, München
  • 2006 Promotion an der Technischen Universität Kaiserslautern
  • seit 1995 Lehraufträge, wissenschaftliche Mitarbeit, Vorträge, Seminare und Workshops an Hochschulen oder privaten Institutionen
  • Studium der Architektur, Technische Universität München www.monikasupe.de

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