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Gelebte Inklusion - nach innen und außen

Inklusionspreis 2014 für VerbaVoice GmbH – Unternehmensgründerin Michaela Nachtrab im Interview

Dienstag, 23.12.2014, 15:37 Uhr

Der erste Kunde war ein gehörloser inklusiv unterrichteter Schüler des BBW Johanneskirchen, heute zählt VerbaVoice, ein mobiler Dolmetschdienst für Hörbehinderte, sogar den Deutschen Fußballbund zu seinen Auftraggebern. In dem So-zialunternehmen wird Inklusion aber nicht nur als Geschäftsmodell gelebt: Von 40 Beschäftigten haben acht selbst eine Hörbehinderung. Für ihr Engagement zeichnete Bezirkstagspräsident Josef Mederer die Unternehmensgründer Michaela Nachtrab und Robin Ribback jetzt mit dem Inklusionspreis 2014 des Bezirks Oberbayern aus.

Frau Nachtrab, Glückwunsch zum Inklusionspreis des Bezirks Oberbayern. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
Michaela Nachtrab: Es ist ganz wunderbar, dass der Bezirk Oberbayern unser Bestreben, Inklusion auch intern zu leben, mit dieser Auszeichnung ehrt. 20 Prozent unserer Beschäftigten haben ja selbst eine Hörbehinderung. Gleichzeitig ist Inklusion die Basis für unser Geschäftsmodell. Wir haben die Vision einer inklusiven Gesellschaft, die barrierefrei kommuniziert. Dafür bieten wir die technischen Lösungen.

Sie sind selbst Hörende. Wie kommen Sie zur Beschäftigung mit Gehörlosigkeit?
Nachtrab: Da hat mich das Schicksal hingestupst. Nach der Schule habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Gehörloseneinrichtung gemacht. Dort habe ich mein Herz an diesen Bereich verloren. Ich habe schließlich Gehörlosenpädagogik studiert und engagiere mich seither ehrenamtlich und hauptberuflich dafür, dass die Nachteile, die Menschen mit Hörbehinderungen haben, ausgeglichen werden.

Was war der Auslöser, den mobilen Dolmetschdienst zu gründen?
Nachtrab: Ich war acht Jahre in der beruflichen Reha tätig. Dort fiel mir auf, dass die Dolmetscherversorgung ein sehr großes Problem ist – besonders für Menschen, die die Gebärdensprache nicht können. Das wollte ich ändern. Denn viele Menschen werden ja erst im Laufe ihres Lebens hochgradig schwerhörig oder ertauben. Sie können selten Gebärdensprache. Man kann sie nur über Schriftsprache unterstützen. Als wir VerbaVoice 2009 gegründet haben, gab es für diese vielen Menschen in ganz Bayern nur eine einzige Schriftdolmetscherin, die noch dazu nur Teilzeit gearbeitet hat. Damit war die Idee für unser Unternehmen geboren. Wir haben erkannt: Wenn wir dieses Defizit überwinden wollen, müssen wir Dolmetscher online zuschalten – aus einem anderen Bundesland, Österreich oder auch der Schweiz.

Besteht dieses Defizit immer noch?
Nachtrab: Es ist zwar besser geworden, aber es gibt in Deutschland immer noch zu wenige Schriftdolmetscher, die live Gesprochenes in Text übertragen. Wir haben deshalb gemeinsam mit dem Sprachen- und Dolmetscherinstitut in München eine Ausbildung zum Schriftdolmetscher initiiert. Damit bessert sich die Situation langsam.

Können Sie kurz erklären, wie VerbaVoice funktioniert?
Nachtrab:
Wir haben ein modular aufgebautes Online-Dolmetschsystem entwickelt. Unsere vier wichtigsten inhaltlichen Bereiche sind Bildung, Beruf, Event und Medien/TV. Dafür bieten wir sprachliche Visualisierung an. Das heißt: Es werden online Schrift- und Gebärdensprachdolmetscher zugeschaltet, die alles, was sie hören, live in Gebärdensprache oder Text übertragen. Zum Beispiel im Bildungsbereich: Ein Azubi mit Hörbehinderung sitzt in einer Klasse mit hörenden Schülern. Er hat einen Tablet-PC vor sich. Der Lehrer trägt ein drahtloses Mikro. Ein Dolmetscher ist von irgendwo auf der Welt zugeschaltet, hört das Gesprochene über unser Cloud-basiertes Online-System und überträgt alles simultan in Schrift. Der Text erscheint in Echtzeit auf dem Tablet des Schülers live zum Mitlesen.


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