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„Humor baut Berührungsängste ab“

München, den Datum:
ZAMMA Bad Aibling PM

Der „anderthalbarmige“ Komiker, Moderator und Autor Martin Fromme tritt am 3. Juli beim ZAMMA – Kulturfestival Oberbayern im Kurhaus Bad Aibling auf. Eine gute Gelegenheit, den Comedian kennenzulernen, der bei seinen Auftritten Berührungsängste im Umgang mit dem Thema Behinderung erstaunlich leicht in befreiendem Lachen zerstreut. Im Interview spricht Fromme über seine Arbeit.

Glückliches Händchen, der Titel Ihres neuesten Programms spielt darauf an: Ihnen fehlt seit Ihrer Geburt der linke Unterarm. Was hat Sie dazu gebracht, die Behinderung in Ihren Comedy-Shows zu thematisieren?

Fromme: Im Commedy-Duo mit Dirk Sollonsch war das selten ein Thema. Seit acht Jahren trete ich allein auf und Leute sagten mir, ‚mach doch mal was über Behinderung‘. Ich dachte, 90 Minuten dieses Thema, das geht in die Hose, ist dann aber bei den meisten Leuten sehr gut angekommen.

Darf man über das Thema „Behinderung“ Witze machen?

Fromme: Niemals! Und wer das macht, dem soll der Unterarm abfallen. Das passiert nämlich, wenn man schlechte Witze macht. Also mir ist es bisher einmal passiert. Deswegen passe ich jetzt auf und mache nur gute Witze über die Thematik „Behinderung“. Man darf nicht nur Witze über Behinderung machen, man muss es sogar. Humor baut Berührungsängste ab.

Gilt das auch für Nicht-Behinderte?

Fromme: Ja, natürlich. Es kommt auf die Haltung an. Oftmals machen Comedians Witze, und wollen sich die Erlaubnis dafür dann übers Publikum holen. Wie Felix Lobrecht. Wenig authentische Haltung, die jedoch muss stimmen. Und es muss auch gut gemacht sein.

Wo verläuft die Grenze zwischen Humor und Witz auf der einen und Abwertung oder gar Beleidigung auf der anderen Seite? Reagieren Menschen auf ein und denselben Joke nicht unterschiedlich?

Fromme: Menschen mit Behinderung lieben meinen Humor. Manche sagen sogar: ‚Können Sie da noch‘n bisschen drauflegen?‘ Oft sind es Menschen ohne Behinderung, die damit nicht zurechtkommen. Weil sie die anderen beschützen möchten, aber das wollen Behinderte gar nicht.

Wie erreichen Sie Leute, die (noch) mit Ihrem Schicksal hadern?

Fromme: Das tut mir oft leid, aber man muss einen Weg finden, mit sich selber klarzukommen, um im Leben zurechtzukommen. Man muss sich selber lieben. Ich erreiche diese Leute sehr oft. Im Schwarzwald war mal eine Frau mit der gleichen Behinderung, die ich auch habe, im Publikum. Die hatte sich im Publikum versteckt. Als ich wieder dort war, war sie präsenter, hatte aber ihren Arm im Pullover versteckt.

Beim dritten Auftritt hatte sie schon ein T-Shirt an und hatte mehr Selbstsicherheit. Beim vierten Mal hat sie mich gefragt, ob sie mit der Gitarre was auf der Bühne machen könnte.

Geht das denn mit einer Hand?

Fromme: Und wie das geht, da kann man auf YouTube Beispiele anhören.

Sie setzen sich seit vielen Jahren für Inklusion ein. So auch der Bezirk Oberbayern, unter anderem mit seinem inklusiv ausgerichteten ZAMMA-Festival. Hat sich schon etwas geändert in der Gesellschaft?

Fromme: Mit dem Thema Inklusion gibt es nun auch mehr finanzielle Mittel, um Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Ob das alles ernst gemeint ist oder ob man das machen „musste“, sei dahingestellt. Viele Leute meinen es gut, aber es ist schlecht gemacht. Wenn etwas belehrend rüberkommt, nervt das alle, Behinderte und Nicht-Behinderte. Zum Teil ist auch eine Art Unehrlichkeit drin. Da meine ich vor allem Film und Fernsehen. Live auf der Bühne ist das was ganz anderes. Die Bühne ist das Instrument in der Kultur, um Inklusion zu machen. Auf der Bühne kann man sich nicht verstellen.

Je erfolgreicher Sie sind, desto schneller schaffen Sie sich ihr eigenes „Geschäftsmodell“ ab. Was dann?

Fromme: Mein Ziel ist es, mich abzuschaffen. Wir sind noch lange nicht am Ziel, auch wenn die Leute sagen: ‚Inklusion kenne ich, weiß ich Bescheid.‘ Ich denke, dass ich es noch 20 Jahre machen muss, bis es wirklich angekommen ist. Und dann setze ich mich eh‘ zur Ruhe. Es kommen ja auch viele nach, nicht alles ist gut, und auch bei Comedy von Behinderten muss man sagen dürfen, wenn was schlecht ist.

Kampf oder Krampf: Wie sehen Sie die Bemühungen um eine politisch korrekte Nutzung von Sprache beim Thema Behinderung?

Fromme: Ich würde sagen, das ist eher krampfig. Mongo, Spasti, Krüppel – das ist beleidigend und geht überhaupt nicht. Behinderte oder Menschen mit Behinderung oder behinderte Menschen – da bin ich schmerzbefreit. Der Empfänger versteht die Botschaft. Man soll sich nicht auf Begrifflichkeiten stürzen.

Sie treten in verschiedenen Regionen Deutschlands auf. Konnten Sie Unterschiede in der „Humorbegabung" feststellen? Fromme: Das ist unerheblich. Das Publikum muss sich erlauben, sich dem Lachen hinzugeben. Das dauert meist zehn bis fünfzehn Minuten, dann läuft es. Viele können jedenfalls gut damit umgehen und dabei ‚locker durch die Hose atmen‘.

Am Schreibtisch oder unter der Dusche? Wo haben Sie die besten Einfälle?

Fromme: Weder noch. Im Auto. Auf den langen Fahrten bin ich ungestört, über das Radio kommt Input rein. Ich sinniere dann ungestört über diese Themen.

Sie sind auch jetzt während unseres Interviews im Auto unterwegs. Wo geht es hin? Fromme: Vom Ruhrgebiet in die Lüneburger Heide nach Schneverdingen. Da kenne ich das Publikum schon, die sind sehr lustig.

Wie fahren Sie, ich meine, mit anderthalb Armen?

Fromme: Mit Automatik, sonst ist alles wie gehabt. Und ein Lenkknopf ist am Lenkrad dran, zum besseren Einparken und Greifen. Das ist praktisch und wollen alle, aber das darf sonst keiner haben.

Vielen Dank, dass Sie mich auf Ihrer Fahrt mitgenommen haben. Wir sehen uns am 3. Juli bei ZAMMA in Bad Aibling!

Karten

Glückliches Händchen am 3. Juli, 20 Uhr, Kurhaus Bad Aibling: 5 Euro im Vorverkauf (Haus des Gastes, Wilhelm-Leibl-Platz 3 sowie an allen München-Ticket-Vorverkaufsstellen) und ab 19 Uhr an der Abendkasse