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Erinnern leicht gemacht

München, den Datum: 14.01.2021
Ausstellungen

Gedenkbuch in Leichter Sprache erinnert an Opfer der NS-"Gesundheitspolitik" in Herzogsägmühle

Mit dem „Ort der Erinnerung“ gedenkt die Diakonie Herzogsägmühle in Peiting der Schicksale von 430 Menschen, die zwischen 1934 und 1945 in der Einrichtung zu leiden hatten oder zu Tode kamen. Fünf von ihnen werden in einem Gedenkbuch vorgestellt, das jetzt auch in Leichter Sprache erschienen ist.

Die sogenannte Leichte Sprache hilft Menschen mit Lernbeeinträchtigungen dabei, geschriebene Texte zu verstehen. Auch funktionale Analphabeten profitieren von der Darstellung in kurzen Sätzen und einfachen Sprachelementen. Texte in Leichter Sprache sind seit vielen Jahren auf der Website und in Publikationen des Bezirks Oberbayern zu finden. Das passt zu den inklusiven Angeboten, die er als Träger der Sozial- und Eingliederungshilfe macht. Der Bezirk unterstützt aber auch, wenn sich andere in seinem Sinn engagieren. So förderte er die Aktionen zum „Ort der Erinnerung“, den Herzogsägmühle 2019 anlässlich des 125-jährigen Bestehens geschaffen hat. Und über den nun gleich zwei Publikationen informieren: eine in schwerer und eine in Leichter Sprache.

Würdigung des schicksalhaften Lebens von Männern und Jugendlichen

Blättert man in dem Leichte-Sprache-Exemplar, finden sich zwischen den Texten Schwarz-Weiß-Fotos der Männer und Jugendlichen, deren schicksalhafte Leben hier eine Würdigung erhalten. Einer von ihnen ist Franz Xaver Bremm, ein Mann in seinen 50er Jahren, dessen Augen bereits einen Teil seiner Geschichte erzählen. Den anderen Teil liefert der Text. Geboren 1887, wuchs Bremm auf dem Bauernhof seiner Eltern bei Regensburg auf. Weil er leicht behindert war, wurde er beim Erbe übergangen und sich selbst überlassen. Er begab sich auf Wanderschaft und wurde 1939 gegen seinen Willen nach Herzogsägmühle verbracht. Vier Jahre später kam er in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, wo er vermutlich durch absichtliche Vernachlässigung starb.

Das Wissen über die unterschiedlichen Lebensgeschichten stammt aus erhaltenen Briefen und Verwaltungsformularen, die ebenfalls abgedruckt sind. So bescheinigt ein 1943 in Herzogsägmühle ausgestellter „Erziehungsbericht“ dem damals 14-jährigen „Zögling“ Georg Brönner „Interesse für das Fußballspiel“, einen komplizierten Charakter und dass er „innerlich an seinem jüdischen Mischblut“ zu leiden scheine. Der Sohn einer jüdischen Mutter und eines katholischen Vaters war in Kitzingen aufgewachsen und nach der Scheidung der Eltern in Zwangsfürsorge genommen worden. Vom damaligen Leiter von Herzogsägmühle wurde er weitergeschickt nach Hessen in die „Pflegeanstalt“ Hadamar, die als NS-Tötungsanstalt fungierte. Dort wurde er 1945, nur wenige Monate vor der Befreiung, mit einer Medikamentenspritze ermordet.

Brief eines Bewohners aus der Herzogsägmühle an seine Schwester

Berührend sind die Briefe, deren Inhalt ebenfalls in Leichter Sprache zusammengefasst wurde. Etwa ein Schreiben der Stiefmutter von Georg Brönner, die sich nach dem Jungen erkundigt. Oder ein Brief von Franz Xaver Bremm an die Schwester. Der Anfang liest sich so:

„Liebe Schwester,
ich möchte lieber sterben:
Wenn ich nicht von hier weg-kommen kann.
Und wenn ich nicht eine Arbeit suchen kann.
Noch bin ich am Leben.
Noch bin ich nicht gestorben.“

Dass jeder Satz auf einer eigenen Zeile steht oder zusammengesetzte Wörter mit Bindestrich geschrieben werden, gehört zu den Regeln für Leichte Sprache, die allesamt einer „besonders leichten“ Verständlichkeit dienen.

„Zeichen gegen das Vergessen! Gedenk-Buch in Leichter Sprache für die Opfer und Verfolgten in Herzogsägmühle in der Zeit von 1934 – 1945.“ Die gedruckte Fassung kann zum Unkostenbeitrag von 7,50 Euro zzgl. Mehrwertsteuer bestellt werden per Mail an info-lernort@herzogsaegmuehle.de. Den kostenfreien Download gibt es unter www.lernort-herzogsaegmuehle.de.


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