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„Kultur Oberbayerns wahren und lebendig halten“

München, den Datum: 19.02.2018

Interview mit Elisabeth Tworek und Bezirkstagspräsident Josef Mederer

Elisabeth Tworek, die Leiterin der Monacensia in München, wechselt zum 1. April 2018 zum Bezirk Oberbayern. In der Bezirksverwaltung übernimmt die promovierte Literaturwissenschaftlerin die Leitung der neuen Kulturabteilung, die im Zuge einer Umstrukturierung einen neuen Zuschnitt erhält und aufgewertet wird. Im Interview erklärt Bezirkstagspräsident Josef Mederer die Gründe für die Fokussierung auf Kultur und Bildung. Elisabeth Tworek, eine gebürtige Murnauerin, spricht über ihren beruflichen Wechsel und ihre neuen Aufgaben.

Herr Bezirkstagspräsident Mederer, warum strukturiert der Bezirk Oberbayern seinen Kulturbereich um?
Bezirkstagspräsident Mederer: Bisher hatten wir in unserer Abteilung III Psychiatrie, Kultur, Bildung und unser Baureferat zusammengefasst. Der langjährige Abteilungsleiter verabschiedet sich Ende März in den Ruhestand. Das war für uns der Anlass, genauer hinzuschauen, ob die Struktur noch passt. Wir haben uns entschlossen, Kultur und Bildung in einer eigenen Abteilung zusammenzufassen und enger miteinander zu verzahnen. Wir wollen damit das Profil von Kultur, Bildung und Heimatpflege schärfen.

Was versprechen Sie sich davon?
Mederer: Für Kultur und Bildung geben wir beim Bezirk Oberbayern pro Jahr rund 24,8 Millionen Euro im Verwaltungshaushalt und zehn Millionen Euro im Vermögenshaushalt für Investitionen in unseren Schulen und Museen aus. Das sind gewaltige Beträge. Über 260 Menschen sind in diesen Bereichen beim Bezirk beschäftigt. An diesen Zahlen sieht man, wie wichtig diese Aufgaben sind. Da sollten wir uns im Reigen der im Kulturbereich relevanten Akteure einfach noch besser positionieren. Es ist geradezu optimal, dass wir für die Neugliederung unserer Aufgaben eine so versierte, erfahrene und in der Kulturszene bestens vernetzte Persönlichkeit wie Elisabeth Tworek gewinnen konnten.

Frau Dr. Tworek, Sie haben zwei Jahrzehnte die Monacensia, das literarische Gedächtnis Münchens, geleitet. Was ist der Grund für Ihren Wechsel zum Bezirk Oberbayern?
Elisabeth Tworek: In meiner bisherigen Tätigkeit war es mir ein großes Anliegen, das Literaturarchiv der Stadt München mit seinen vielfältigen Originalbeständen und einer einmaligen München-Bibliothek im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit fest zu verankern. Gleichzeitig war mein Ziel, durch den Nachweis der Originalbestände im Internet die Monacensia als Bildungs- und Forschungsinstitut auf- und auszubauen. Im Dezember 2016 wurde die ehemalige Künstlervilla des Bildhauers Adolf von Hildebrand aus der Prinzregentenzeit neu eröffnet und mit 30.000 Besuchern allein 2017 höchst erfolgreich in Betrieb genommen. Danach suchte ich neue Herausforderungen. Da kam die Stellenausschreibung des Bezirks für mich zur rechten Zeit.

Haben Sie schon Pläne für die Ausgestaltung Ihrer neuen Aufgaben?
Tworek: Es liegt mir am Herzen, die Identität Oberbayerns mit seinem vielfältigen kulturellen Erbe zu wahren und gleichzeitig die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Meine Aufgabe verstehe ich so, Mittlerin zu sein zwischen den unterschiedlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen des Bezirks Oberbayern. An der Konzeption der neuen Abteilung möchte ich meine Kolleginnen und Kollegen beteiligen, damit wir in gemeinsamer Arbeit einen spezifisch oberbayerischen Kulturbegriff weiterentwickeln.

Was sind die besonderen Herausforderungen?
Tworek: In einer globalisierten Welt mit hoher Mobilität haben Mitbürgerinnen und Mitbürger aus aller Welt immer seltener eine gemeinsam erlebte Geschichte, Religion oder Sprache. Die Verinselung von Lebenswelten – von Alt und Jung, Arm und Reich, Stadt und Land, Gebildet und weniger Gebildet – nimmt ständig zu. Da fördern gemeinsame Mitmach-Angebote wie das oberbayerische Kulturfestival ZAMMA und niederschwellige Kulturerlebnisse das Miteinander und sichern den sozialen Frieden in unseren Dörfern, Städten und Gemeinden. Gemeinsam gelebte Werte wie Respekt, Würde, Wertschätzung und Verantwortung werden immer mehr zum Kitt der Gesellschaft.

Wodurch kann der Bezirk Oberbayern von Ihnen als neuer Leiterin der Kulturabteilung besonders profitieren?
Tworek: Ich kenne die Millionenmetropole München genauso gut wie die Bedürfnisse einer oberbayerischen Landgemeinde. Seit vier Jahren bin ich Gemeinderätin und Kulturreferentin in Murnau. Auch bringe ich fundierte Erfahrungen im Ausstellungs- und Museumsbereich mit. Die Generalsanierung des denkmalgeschützten Hildebrandhauses als Teil des kulturellen Erbes der Stadt München erforderte wegen seiner erschütternden Geschichte während der NS-Zeit besonders viel Fingerspitzengefühl. Wir haben in der ehemaligen Künstlervilla nun einen physischen Ort für Kultur und Bildung mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen, wo sich unterschiedlichste Menschen begegnen und austauschen können, ohne viel Geld auszugeben. Gleichzeitig sind die Literaturarchivbestände im Internet weltweit recherchierbar, was einen demokratischen Zugang zu Bildung, Forschung und Lehre sichert. Jetzt ein digitales Archiv des Bezirks als das Gedächtnis Oberbayerns aufzubauen, halte ich für eine reizvolle Aufgabe.

Wie gelingt Ihnen als Literaturexpertin die Verbindung von Literatur, Kultur und Bildung?
Tworek: Die Literatur gibt uns die Worte, die Welt zu begreifen. Mit Bildung und Kultur ist sie aufs engste verschränkt. Auch handwerkliche und künstlerische Fertigkeiten gehören dazu. Nur Bildung für alle, auch für die Schwächsten unserer Gesellschaft, sichert eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Mit traditionellen Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Musizieren eignen wir uns Werkzeuge zur Entschlüsselung der Welt an, die weit über pures Wissen hinausgehen. Das schult unsere Wahrnehmung, Empathie, Neugier und Offenheit und bildet uns ein Leben lang weiter. Lebenslanges Lernen ist in einer hochindustrialisierten Gesellschaft der Schlüssel zur Zukunft. Den Museen kommt dabei eine herausragende Rolle zu. Besonders Heranwachsende sollten wir mit ansprechenden, zeitgemäßen Präsentationen an Inhalte heranführen, die an ihre Lebenswelt anknüpfen. Gesellschaftliche, historische und politische Bildung ist ein Schlüssel zum Verständnis der Demokratie.

Zu Ihrem Aufgabenbereich gehört die Heimatpflege. Was ist für Sie Heimat?
Tworek: Noch im 19. Jahrhundert war Heimat für die meisten Menschen der Platz, wo man hineingeboren wurde: der eigene Hof, das Dorf. Das hat sich angesichts der hohen Mobilität in der heutigen Welt gründlich geändert. Unser Heimatbegriff ist im Wandel begriffen. Ja, was ist Heimat überhaupt? Ist es der Ort, an dem wir geboren sind? Oder ist es der Platz, an dem wir gerne leben? Lebt Heimat in der bloßen Erinnerung fort? Oder erkennen wir erst in der Fremde – nach Flucht, Vertreibung, Exil – wie wichtig uns die alte Heimat war? Heimat kann ein geografischer Raum sein, dessen kulturelles Erbe – das materielle wie immaterielle – zu bewahren, zu pflegen und lebendig zu erhalten ist. Für mich ist Heimat aber noch sehr viel mehr. Es ist etwas höchst Subjektives: ein Sehnsuchtsort, wo wir uns sicher und geborgen fühlen und fest verankert sind. Es kann Sprache, Literatur, Musik, Kunst und der Sportverein sein. Schwierig wird es, wenn Heimat ideologisch missbraucht wird.

In der Kulturarbeit des Bezirks hat Inklusion einen hohen Stellenwert. Können Sie hier persönliche Erfahrungen einbringen?
Tworek: Nach dem Abitur jobbte ich mehrere Monate in der Murnauer Unfallklinik in der Station für Rückenmarksverletzte. Das sensibilisiert mich bis heute für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Inklusion wurde in der neukonzipierten Monacensia nach neuesten Standards umgesetzt. Das heißt, die öffentlichen Räume des denkmalgeschützten Hauses sind nun barrierefrei erschlossen und mit Induktionsschleifen ausgestattet. Die Vitrinen sind mit Rollstuhl unterfahrbar. Auch bietet die Monacensia seit kurzem Führungen in Gebärdensprache an. Ich freue mich darauf, diese Erfahrungen beim Bezirk Oberbayern mit einzubringen.

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  • Bezirkstagspräsident Josef Mederer mit Elisabeth Tworek. Die langjährige Leiterin der Monacensia in München wechselt als neue Leiterin der Kulturabteilung zum Bezirk Oberbayern.

    Foto: Wolfgang Englmaier

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  • Bezirkstagspräsident Josef Mederer mit Elisabeth Tworek. Die langjährige Leiterin der Monacensia in München wechselt als neue Leiterin der Kulturabteilung zum Bezirk Oberbayern.

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  • Elisabeth Tworek, die langjährige Leiterin der Monacensia in München, wechselt als neue Leiterin der Kulturabteilung zum Bezirk Oberbayern

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