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Im Demenzlabyrinth

München, den Datum: 30.09.2022
Kultur

Kunsttherapeut Albin Zauner gestaltet Graphic Novel zur Alzheimererkrankung

Lässt sich in Zeichnungen erzählen, wie Menschen mit Demenz ihren Alltag erleben oder daran scheitern? Kunsttherapeut Albin Zauner, der im kbo-Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen arbeitet, ist dieses Kunststück geglückt. Er verdichtet in seinen Zeichnun-gen die Eindrücke seiner Arbeit mit Menschen mit Demenz in eindrucksvollen Bildern.

Zeichnung eines älteren Mannes, der in einem Stuhl sitzt, den Kopf auf die Hände stützt und auf ein Objekt am Boden blickt, bei den viele Schachteln ineinander gesetzt sind.
© Albin Zauner

Wie bekommt man Zugang zu Menschen, denen die Bedeutung von Worten abhandenkommt?

Für den Kunsttherapeuten Albin Zauner ist die Antwort klar: Es sind Bilder – Bilder, die lange im Gedächtnis hängen bleiben, auch wenn die Demenz die Zuordnung zu Worten vergessen lässt. Seine Erfahrungen aus mehr als 15 Jahren Kunsttherapie auf einer beschützenden, gerontopsychiatrischen Aufnahmestation gibt Zauner mit Bildern weiter: Unter dem Titel „Im Demenzlabyrinth“ schuf er eine Graphic Novel – ohne Sprechblasen und ohne kommentierenden Text. Zauner sagt: „Ich habe mich dazu bewusst entschieden, weil dies der Tatsache gerecht wird, dass meine Protagonistinnen und Protagonisten die selbstverständliche Verfügbarkeit der Sprache verloren haben.”

Zauner hat vor seiner Ausbildung zum Kunsttherapeuten Malerei studiert und bereits während seines Studiums literarisch gezeichnet. Seitdem begleitet ihn die Zeichnung als Kommunikationsmittel. „Seit ich im kbo-Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen arbeite, führe ich ein zeichnerisches Tagebuch– und halte jeden Tag alles, was mich bewegt hat, in Bildern fest.”

Im Anhang des Buches erzählt der Künstler von Begebenheiten, die ihn besonders beeindruckten und inspiriert haben, so zum Beispiel „Wanderer“, Patientinnen und Patienten, die mit wachsender Unruhe umhergingen, als wären sie in einen falschen Film geraten. Zauner: „Sie öffneten Türen und fanden sich in Räumen, die ihnen von Grund auf fremd waren, zutiefst irritiert und enttäuscht, weil sie sich eigentlich den Eintritt in einen Raum ihres vertrauten Zuhauses erwartet hatten. So wurden für die unruhigen Wanderer Türen mitunter zu einer falschen Verheißung.“

Tür wurde zum Schlüsselmotiv

Zauner versucht sich in diese ständig scheiternde Heimkehr hineinzuversetzen: „Stell dir vor, du öffnest eine Türe und gerätst in einen vollkommen anderen Raum, als du dir erwartet hast. Du möchtest in dein Büro gehen und findest dich stattdessen in einem Krankenzimmer. Und so geht es immer weiter. Von Tür zu Tür werden die Räume immer fremdartiger.“ Die Folge ist eine elementare, zunehmende Verunsicherung –Türen – als Räume verbindende Elemente – werden zu irreführenden Versprechungen. Zauner erklärt: „So wurde denn auch die Tür zu einem Schlüsselmotiv in meiner Bildergeschichte.“

„Im Demenzlabyrinth“ ist eine der ersten Graphic Novels zum Thema Demenz

Zauner erzählt darin mit rund 80 Zeichnungen von den Erfahrungen eines Schriftstellers, der an einer Alzheimer-Demenz erkrankt ist. Im Vordergrund steht nicht die medizinisch-pathologisierende Sicht des Krankheitsbildes oder -verlaufs, sondern die innere Erlebniswelt des Protagonisten. Die existenziellen Auswirkungen des Verlustes von räumlicher und zeitlicher Orientierung, von Gedächtnisausfällen und Sprachzerfall durchdringen in symbolischen Bildsequenzen die Erlebniswelt des alten Mannes. Einsam sitzt er mit einer flüchtigen Ahnung von Erinnerung an sein früheres Leben in seinem Garten oder in den ihm zusehends fremder werdenden Räumen seines Hauses. Das große Abenteuer seines Helden besteht in einfachsten Alltagsschritten.

Die Grafic Novel zur Demenz ist indes erst ein Anfang: In seiner Freizeit arbeitet Albin Zauner bereits am nächsten Projekt: Der Kunsttherapeut möchte die Krankheit Psychose in Zeichnungen vorstellen. „Das ist unglaublich spannend“, freut sich Zauner, „denn Sprache sorgt bei Psychosen sehr stark für Missverständnisse. Auch bei dieser Krankheit ist die Zeichnung das beste Kommunikationsmittel.“ Man darf also gespannt sein, welche Veröffentlichungen noch kommen. Die Resonanz ist jedenfalls sehr ermutigend. „Sehr gute Rückmeldungen bekomme ich nicht nur von den betroffenen Personen”, so Zauner, „sondern auch von ärztlicher Seite und den Kolleginnen und Kollegen“.

Die Graphic Novel „Im Demenzlabyrinth“ wird Mitte September auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Sie ist im Buchhandel gedruckt und als E-book erhältlich. 2023 möchte Zauner eine Ausstellung in Erding realisieren.

Kunstwerk: Die Zeichnung zeigt einen alten Mann vor hohen Regalwänden, in denen Fächer mit Zeichen bzw. Buchstaben beschriftet sind, in denen sich kleine Objekte befinden.
Ausschnitt einer Abbildung aus dem Buch "Im Demenzlabyrinth" von Albin Zauner. (© Albin Zauner)



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