Inhalt

Klimawandel setzt oberbayerischen Gewässern zu

München, den Datum: 29.07.2022
Umwelt

Im Gespräch mit Dr. Bernhard Gum, Fischereifachberater des Bezirks Oberbayern

Grundwasserstände, austrocknende Bäche und Fischsterben: Die Lage an Oberbayerns Niedrige Gewässern ist ernst. Im Interview spricht Fischereifachberater Dr. Bernhard Gum über die Hintergründe und erklärt, wie jeder einzelne mit seinem Verhalten gegensteuern kann.

Ist die Lage an den oberbayerischen Gewässern schlechter als in den vergangenen Jahren?
Dr. Bernhard Gum: Ja, die Lage ist sehr ernst. Durch die wochenlange Trockenheit und Hitze herrschen auch in südbayerischen Gewässern extremes Niedrigwasser und hohe Wassertemperaturen – wenngleich wir in Oberbayern noch etwas besser dran sind als in Nordbayern oder im Osten Deutschlands. Seit Juli drohen aber auch bei uns kleine Bäche und Weiher trocken zu fallen oder sind teilweise bereits ausgetrocknet.

Welche Region ist besonders betroffen?
Gum: Die Gebiete nördlich und westlich von München. Gestern war mein Team beispielsweise nach einem Hilferuf im Landkreis Dachau im Einsatz. Dort fällt die obere Ilm – ein wertvolles Bachmuschelgewässer – in Abschnitten trocken und wir mussten uns um die Rettung der Fische kümmern. Im Südosten – im Chiemgau und Richtung Berge – sieht es dagegen insgesamt noch besser aus. Hier gingen zumindest hin und wieder Gewitterregen nieder. Aber angenommen, es bleibt nun noch bis in den August hinein so trocken, dann werden wir leider noch an viel mehr Gewässern mit Vertrocknung, Sauerstoffmangel und eben Fischsterben zu kämpfen haben.

Woran liegt das?
Gum: Nach dem Hitzesommer 2003 dachte man vielleicht noch, das sei ein seltenes Ausnahmeereignis. Spätestens nach den Erfahrungen aus den Jahren 2015, 2018 und 2019, die ja durchweg sehr trocken waren, dürfte mit dieser extremen Hitzewelle in diesem Sommer allen klar sein, dass die Häufigkeit und Dauer solcher Extremwetterlagen aufgrund der Klimaveränderung einfach zunehmen. Jedenfalls sind in den letzten Jahren auch bei uns auf der einen Seite zunehmend lange Phasen von Hitze und Wasserknappheit und auf der anderen Seite intensiver Starkregen mit zum Teil extremen Hochwasserereignissen oder gar Sturzfluten zu beobachten. Und in Gegenden, wo in den Vorjahren die Grundwasserstände ohnehin schon niedrig waren, führt die Trockenheit der letzten Monate nun endgültig zum Versiegen mancher Quellen bis hin zum Austrocknen ganzer Gewässer.

Was können Bürgerinnen und Bürger tun, um Wasser zu sparen?
Gum: Wasser ist Leben, und sauberes Wasser ist eine unserer kostbarsten Ressourcen. Deshalb sollte es uns immer wichtig sein, sorgsam und sparsam mit Wasser und vor allem Trinkwasser umzugehen. Hier kann jeder Einzelne einen wertvollen Beitrag leisten. Es ist an der Zeit, bisherige Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen: Rasenflächen oder den Gärten mit Trinkwasser bewässern beispielsweise. In vielen Gegenden sind die Grundwasserstände in den letzten Jahren bereits merklich abgesunken. Wir müssen die Themen Wassersparen und Wasserspeichern – das betrifft Trink- und Brauchwasser – auch bei uns aktiv und vorausschauend angehen.

Gibt es schon langfristige Strategien, um den Wassermangel und die Folgen für die Gewässer und Fischbestände zu kompensieren?
Gum: Es wird ja schon seit längerem Wasser aus dem wasserreicheren Süden über Leitungen und Kanäle in das wasserärmere Nordbayern geleitet. Und es gibt auch Alarmpläne für große Flüsse wie die Donau oder den Main, wenn die Wassertemperaturen Richtung 25 Grad gehen oder die Sauerstoffwerte absinken. Sind hier Grenzwerte erreicht, darf bei uns zum Beispiel kein erwärmtes Kühlwasser aus Kraftwerken oder der Industrie mehr in die Donau eingeleitet werden. Doch die Lage ist so dramatisch, dass wir nicht nur an den großen Flüssen, sondern beim Wassermanagement generell kluge Konzepte brauchen. Wir müssen nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei Wasserknappheit gut aufgestellt sein. Aktuell sind wir froh um größere natürliche See oder die großen Wasserspeicher im Gebirge wie der Sylvenstein-Stausee. Der wurde zum Hochwasserschutz gebaut und liefert jetzt bei Bedarf kühles Tiefenwasser zur Versorgung der Isar mit genügend frischem Wasser.

Zurück zu den Fischen: Die Fachberatung des Bezirks ist immer häufiger Anlaufstelle für Gemeinden, Fischereiberechtigte oder Bachbetreuende, wenn es um eine Einschätzung der Lage oder um die Rettung von Fischen geht.
Gum: Wo es geht und wir rechtzeitig informiert werden, versuchen wir zusammen mit den Fischereiverbänden und anderen Institutionen, die dazu in der Lage sind, die Fische zu bergen und in (noch) geeignete Gewässer umzusiedeln. Hier arbeiten bereits viele Fischereivereine und Naturschutzverbände mit den zuständigen Stellen hochengagiert zusammen, und es wird häufig mit Unterstützung durch die lokale Feuerwehr bestmöglich geholfen. Dennoch stoßen wir mehr und mehr an unsere Kapazitätsgrenzen.

Was wünschen Sie sich?
Gum: Die Hilfsmaßnahmen zur Fischbergung bei austrocknenden Gewässern müssen besser koordiniert werden. Hier brauchen wir ein übergreifendes Konzept, das auch schon präventiv greift. Deswegen haben wir mit dem Fischereiverein Oberbayern e. V. und dem Landesfischereiverband Bayern e. V. Kontakt aufgenommen. Gemeinsam wollen wir für den Gewässer- und Fischartenschutz in Oberbayern entsprechende Handlungsempfehlungen ausarbeiten. Bei extremer Hitze und Wassermangel müssen wir in der Lage sein, schnell und unbürokratisch Hilfestellungen zu geben. Denkbar wäre für mich beispielsweise die Organisation von regionalen „Eingreiftruppen“ aus dem Kreis der Fischereivereine zur Notabfischung.

Was sollte man in Freizeit und Urlaub beachten, um die Fischwelt nicht zusätzlich unter Druck zu setzen?
Gum: Alles was im Wasser lebt, hat jetzt extreme Probleme. Ganz besonders die Fischarten in den Bächen und Flüssen, die auf kühles, sauerstoffreiches Wasser angewiesen sind, wie Forellen und Äschen oder der seltene Huchen (Donaulachs), aber auch Kleinfischarten wie Elritze und Koppe. Das wenige Wasser gepaart mit hohen Wassertemperaturen von teilweise mehr als 20 Grad, führen bei diesen Fischarten zu großem physiologischem Stress. Wenn dann noch weitere Stressfaktoren hinzukommen, kann dies in Summe einfach zu viel werden und ein Fischsterben auslösen.

Was kann bei den aktuellen extremen Niedrigwasserbedingungen denn zusätzlich Stress bei den Fischen auslösen?
Gum: Ungenehmigte Wasserentnahmen, die Einleitung von sauerstoffzehrenden Problemstoffen oder Baumaßnahmen können sich fatal auf den Fischbestand auswirken. Auch sogenannte „Scheuchwirkungen“ durch vermehrten Bade- und Bootsbetrieb verursachen Stress. Deshalb ist es zum Schutz der Fischbestände wichtig, bei extremen Niedrigwasserständen und hohen Wassertemperaturen die betroffenen Flussgebiete von übermäßigem Freizeitbetrieb zu verschonen. Im Hochsommer 2018 verendeten in der Isar in München etliche Huchen – wohl als Folge der kombinierten Stresswirkung aus hoher Wassertemperatur und starkem Freizeitbetrieb.

Hat diese Empfehlung auch Auswirkung auf die Arbeit der Fischereifachberatung?
Gum: Ja, auch wir halten uns daran. Bei der derzeit heißen Wetterlage verzichten wir auf Fischbestandserhebungen oder andere verschiebbare Maßnahmen in Gewässern. Wir raten generell davon ab, weil es sich auch hier um zusätzliche und vermeidbare Stresswirkungen handelt.



Bildmaterial zum Download