Inhalt
 

„Jeder Mensch ist richtig, wie er ist"

München, den Datum: 16.11.2016
Auszeichnungen des Bezirks

Sportgemeinschaft Hausham holt den 1. Platz des Inklusionspreises / Teilhabe steht an oberster Stelle

Ganz oben auf dem Siegertreppchen steht ein Pionier in Sachen Inklusion: Die Sportgemeinschaft Hausham gründete ihre Sparte Handicap Integrativ vor zehn Jahren – also in einer Zeit, in der das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen im Vereinssport noch die Ausnahme war. Heute trainieren bis zu 90 Kinder mit und ohne Behinderungen jede Woche verschiedene Sportarten. Einer der Gründungsväter ist der Förderschullehrer Stephan Kaiser. Im Interview erzählt der Übungsleiter, warum Inklusion für die SG Hausham so wichtig ist.

Erwachsene und Kinder gemeinsam in einem Schwimmbecken
Foto: Benedict Mirow

Herr Kaiser, was verstehen Sie persönlich unter Inklusion?
Stephan Kaiser:
Inklusion vollzieht sich für mich im Gefühl eines Menschen dazuzugehören. Menschen mit Behinderungen haben das soziale Bedürfnis, sich im Umfeld ihrer Mitmenschen zu verwirklichen – so wie alle anderen Menschen auch. Dazu braucht es in der Gemeinschaft die Offenheit, Menschen mit all ihren Eigenheiten anzunehmen. Unsere Haltung ist: Jeder Mensch ist richtig, wie er ist. Und das zeigen wir den Kindern. So wie du bist, bist du richtig. Wir bereiten für die Kinder mit Behinderungen eine Umgebung vor, in der sie ihre Fähigkeiten ausprobieren und erweitern können. Niemand wird zurückgelassen. Auf die individuellen sportlichen oder kommunikativen Einschränkungen finden wir Antworten, sodass am Ende der Sportstunde bei jedem Teilnehmer das Gefühl bleibt, ich gehöre hier dazu und habe zur Gesamtleistung beitragen können.

Wie kamen Sie auf die Idee, 2007 eine inklusive Sportgruppe zu gründen?
Kaiser:
Der Vater eines Jungen mit Behinderungen fuhr immer nach Rosenheim, damit sein Sohn an einer Sportgruppe teilnehmen konnte. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, eine solche Gruppe in Hausham zu leiten. Davon war ich angetan ebenso wie Roman Grill, unser Vereinschef. So konnte vor fast zehn Jahren Inklusion in einem erweiterten Sinne angebahnt werden: Die Kinder mit Einschränkungen haben sich immer mehr mit der 1500 Mitglieder starken SG Hausham identifiziert – und umgekehrt.

Welche Erfahrungen machen Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, wenn sie gemeinsam Sport machen?
Kaiser:
Kinder ohne Behinderungen machen vor allem die Erfahrung, dass bei uns jeder angenommen wird, wie er gerade drauf ist. Sie sind dankbar, dass sie nicht überfordert und in den Vergleich zu Besseren gestellt werden. Die Erfahrung, in einer Konkurrenz nicht zu bestehen, haben sie schon oft genug machen müssen.
Sie merken in den inklusiven Gruppen ja oft gar nicht, ob ein Sportpartner eine Behinderung hat. Sobald sie gelernt haben, hilfreich auf die Einschränkungen der Teilnehmer einzugehen, erleben sie sich oft in der stolzen bereichernden Rolle des Helfenden. Die Kids mit Einschränkungen sehen diese dann oft als Idole. Sie fühlen sich gestärkt, weil sie zu den coolen Typen dazugehören.

Welche Sportarten bieten Sie an und wie oft kommen die Kinder zusammen?
Kaiser:
Wir bieten derzeit fünf Gruppen an. An jedem Tag in der Woche ist eine andere Sportart im Schwerpunkt. Unsere Mitglieder kommen teilweise drei oder vier Mal in der Woche, um zu tanzen, zu schwimmen, Tischtennis, Tennis oder Fußball zu spielen. Darüber hinaus richten wir an Wochenenden inklusive Turniere oder Spielefeste aus.

Sport ist in der Regel auf Leistung angelegt. Wie funktioniert das bei Ihnen?
Kaiser:
In jedem Kind steckt das Bedürfnis, Leistung zu erbringen. Unsere Ermutigung und Lob zielen auf jeden kleinen Schritt. Mit Recht dürfen unsere Sportler oft auf eine jahrelange positive Leistungsentwicklung zurückblicken. Dadurch bleiben der Hunger auf Bewegung und neue individuelle Ziele erhalten.

Wie haben Sie es geschafft, ein solch regelmäßiges Angebot zu etablieren?
Kaiser:
Der Kern unseres Erfolgs ist unser wunderbares Team. Wir haben eine kleine, aber feine Gruppe von Übungsleitern mit spezifischer Kompetenz in der Arbeit mit Behinderung.

Welche Ausbildung haben die Übungsleiter?
Kaiser:
Alle haben eine pädagogische Berufsausbildung und langjährige Erfahrung. Darüber hinaus haben die Gruppenleiter beim BVS, dem Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern, eine aufwändige Übungsleiterausbildung mit Reha-Schein absolviert.

Das Engagement der SG Hausham wirkt in die Gemeinde. Wie zeigt sich das?
Kaiser:
Oft werden wir von den Bürgern und Bürgerinnen aufmunternd angesprochen. Viele danken uns für unser Engagement. Man spürt bei vielen auch einen gewissen Stolz, dass Hausham mit der Inklusionsförderung so ein Vorbild ist. Von anderen Vereinen und der Gemeinde selbst bekommen wir bei Veranstaltungen Unterstützung.

Was raten Sie Vereinen, die ein inklusives Sportangebot schaffen wollen?
Kaiser:
Es braucht zunächst eigentlich nur ein, zwei Menschen, die ein bisschen für die Idee brennen, Menschen mit Behinderungen in sportlicher Hinsicht eine Chance zu bieten. Ich versichere jedem, der dies angeht, eine freudige Bereicherung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu erleben. Der BVS Bayern unterstützt beratend, finanziell und mit praktischen Tipps.

Was machen Sie mit dem Preisgeld?
Kaiser:
Wir werden die Ausbildung für weitere Übungsleiter bezahlen. Außerdem finanzieren wir für Kinder, die aus Elternhäusern mit einem geringeren Einkommen stammen, gerne besondere Aktionen wie Reiten und Schwimmbadbesuche.


Bildmaterial zum Download